Eine nachhaltige Gesellschaft muss auch eine inklusive sein


Ob Gesellschaften auch in Zukunft funktionieren, hängt wesentlich von ihrer Fähigkeit zur Inklusion ab. Nachhaltigkeit bedeutet mehr als ökologische Verantwortung – sie verlangt soziale Gerechtigkeit. Denn wie kann eine Gesellschaft dauerhaft tragfähig sein, wenn Menschen trotz Arbeit ausgeschlossen bleiben?

Für mich heißt Nachhaltigkeit auch: faire Löhne und echte Teilhabe für Menschen mit Behinderung. Als Initiatorin und Vorstand von Horses for Heroes e.V., Podcasterin, Kolumnistin und vor allem als betroffene Mutter weiß ich aus eigener Erfahrung, wie grundlegend Inklusion für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung ist.

Auf dem Nachhaltigkeitstag NRW 2030 in Mülheim an der Ruhr durfte ich diese Perspektive in der Diskussionsrunde „Alle gleich, alle anders – den Moment verstehen, das Miteinander stärken“ einbringen. Dort wurde erneut deutlich: Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn Inklusion konsequent in allen Lebensbereichen mitgedacht wird.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, die SDGs, geben dafür eine klare Orientierung. Besonders die Ziele SDG 1 (Keine Armut), SDG 8 (Menschenwürdige Arbeit), SDG 10 (Weniger Ungleichheiten) und SDG 16 (Gerechtigkeit und starke Institutionen) sind in Deutschland jedoch noch weit von einer inklusiven Realität entfernt.

Ein besonders eindrückliches Beispiel sind die Werkstätten für Menschen mit Behinderung: Rund 300.000 Menschen arbeiten dort in Deutschland für Stundenlöhne zwischen 1,35 und 2 Euro. Trotz täglicher Arbeit reichen diese Einkommen nicht zum Leben. Die Beschäftigten sind dauerhaft auf Sozialleistungen in Form der Grundsicherung angewiesen und bleiben so lebenslang in einem System gefangen, das Arbeit nicht aus Armut herausführt. Hier wird auch ohne große Recherche ein deutliches Ungleichgewicht sichtbar.

Als Gesellschaft sollten wir Menschen mit Behinderung nicht länger in einem gesetzlich legitimierten System halten, das sie arm macht, sondern ihnen echte Teilhabe ermöglichen.

Leave no one behind

Deshalb wünsche ich mir einen gesetzlich garantierten Mindestlohn für Beschäftigte in Werkstätten und eine grundlegende Reform des Systems – mit fairer sozialer Absicherung und realen beruflichen Perspektiven.

Für mich ist klar: Ohne echte Inklusion werden wir weder die Nachhaltigkeitsziele erreichen noch eine gerechte Gesellschaft sein.

Gerade in der Adventszeit ist dies ein Anlass, über mehr Solidarität und Menschlichkeit nachzudenken. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten.

Ihre Anuschka Bayer

Paneldiskussion auf dem Nachhaltigkeitstag.

Foto: Marc Hermenau

Start typing and press Enter to search