Der Traum vom Racket-Sport für alle
Die Tennisabteilung des Gütersloher Turnvereins (GTV) hat mit ihrem Partner Tennis-Point (Herzebrock) das Tor zur Zukunft geöffnet.
Die inzwischen fertiggestellte Anlage am Postdamm ist konzeptionell und technisch bewusst zum Muster für andere Vereine in Deutschland angelegt und kann schon jetzt, vier Jahre nach dem Erstkontakt des Tennis-Point-Geschäftsführers Christian Miele mit dem GTV, eine überragende Zwischenbilanz ziehen. gt!nfo sprach mit dem Ideengeber und Motor des „Club Tennis-Point“ auf der GTV-Tennis- anlage anlässlich des Tags der offenen Tür am 29. Juni (Event „Club der Zukunft“) über den Erfolg vor Ort und seine Vision für den Tennissport in Deutschland.
Herr Miele, Sie haben Ihr Unternehmen Tennis-Point nach der Benko-Pleite vor zwei Jahren mit Partnern neu gegründet, sind heute Europas erfolgreichster Online-Händler für Tennis-Produkte. Sie investieren international und engagieren sich für den Tennissport allgemein in Deutschland. Erzählen Sie uns von Ihrer Grundidee?
Christian Miele: Der Grundgedanke ist, die Attraktivität des Tennissports in Deutschland zu stärken und eine neue Wachstumsphase einzuleiten. Tennis ist mein Lebensthema seit meinem 4. Lebensjahr als Spieler un seit 1999 als Geschäftsmann mit einem kleinen Shop in Münster, der am ersten Tag nicht einen einzigen Kunden hatte.
1999 war das Rücktrittsjahr von Boris Becker und Steffi Graf, die damals für einen riesigen Boom des Tennissports sorgten.
Christian Miele: Stimmt, und mit dem Ende ihrer Profikarrieren fehlten plötzlich die großen Vorbilder für das Tennis in Deutschland. Als Boris Becker 1985 zum ersten Mal Wimbledon gewann, gab es in Deutschland mehr als 10.000 Tennisvereine, heute sind es noch 8.500 Vereine mit 45.000 Plätzen bei weiter rückläufigem Trend, vor allem in den kleinen Städten und leider vermehrt im ländlichen Raum. Es kommen keine jungen Leute nach, die frische Impulse bringen, vor allem fehlt uns die Generation zwischen 25 und 40 Jahren. Das Durch- schnittsalter der 1. Vorsitzenden in Deutschland liegt über dem Rentenalter.
Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Christian Miele: Da gibt es mehrere Gründe. Die klassische Vereinsstruktur ist wenig attraktiv für Anfänger. Das Denken hat sich allgemein verändert. Die Medien beeinflussen die jungen Menschen und es gibt viele konkurrierende neue Freizeitangebote. Die Schulzeiten sind nachmittags länger geworden und suchen Sie mal Kandidaten für ein Ehrenamt! Wenn sich nichts tut, haben wir bald nur noch 6.000 Vereine in Deutschland. Deswegen bin ich überzeugt, dass sich der Tennissport neu aufstellen muss. Er muss sich vor allem nach außen öffnen und durch neue Angebote für mehr Wirtschaftlichkeit sorgen.
Wie können denn Tennisvereine mehr Geld einnehmen und damit investieren? Haben Sie da Ideen?
Christian Miele: Im Kern geht es darum, den Zugang zum Tennissport leichter zu machen und den Servicegedanken konsequent durchzuspielen. Ein paar Stichworte: Wir haben hier ein Online-Platzbuchungssystem implementiert,
das selbstverständlich auch Nichtmitglieder nutzen können. Wir digitalisieren alle Prozesse; wer bei uns bucht, bekommt einen Code zum Öffnen der Türen. Und unsere Gäste können sich an Automaten bedienen, wenn sie neue Bälle brauchen, einen Leihschläger oder etwas zu essen und zu trinken. Alles wird einfacher und generiert neue Einnahmemöglichkeiten. Wichtig auch: Wir bieten nicht nur Tennis, sondern Racketsport allgemein. Dazu gehören aktuell Padelcourts. Sie sprießen weltweit aus dem Boden, Padel hat in Spanien und anderswo schon längst das klassische Tennis überholt. Das ist ein Megatrend, der die Zukunft unserer Tennisvereine sichern kann. Padel spielt man auf kleinerer Fläche zu viert, das ist erschwinglicher für den einzelnen, macht einen Riesenspaß, bringt Umsatz und sorgt für steigende Mitgliederzahlen. Vor allem: Man kann diese Variante viel schneller lernen, was für die Anfänger sehr attraktiv ist. Beim Tennis verliert man schneller die Lust, wenn man nicht so talentiert ist.
Das alles klappt auch auf der GTV-Anlage?
Christian Miele: Die genannten Module unserer Tennisanlage der Zukunft kann man beim Club Tennis-Point auf dem GTV-Gelände sehen und erleben und dazu laden wir herzlich am 29. Juni beim Tag der offenen Tür ein. An diesem Tag werden wir unseren dritten Padel-Court eröffnen und dazu auch unseren Kinderspielplatz mit Kita- Betreuung. So haben auch die jungen Mütter Gelegenheit zu spielen. Den Spielplatz haben wir übrigens auch mit den Überschüssen aus dem Padel-Geschäft finanzieren können.
Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit dem GTV?
Christian Miele: Ich bin von Herzebrock nach Gütersloh gezogen, wohne in der Nähe und nachdem ich schon zehnmal an den Tennisplätzen vorbeigefahren war und nie wirkliches Leben auf der Fläche sah, bin ich beim elften Mal reingefahren und habe gefragt, warum das so ist. Dabei erfuhr ich, dass die GTV-Abteilung Tennis gerade mal über 70 Mitglieder verfügte, von denen 20 passiv waren. Und es gab nur einen einzigen Jugendlichen. Das war 2020. Ich habe den Vorstand angeschrieben, ob wir nicht mal zusammen was Neues aufziehen sollten. Die Gespräche verliefen sehr positiv. Kurzum: Heute, nach vier Jahren, haben wir hier 400 Mitglieder und einen Musterclub, der eine Blaupause für
andere Vereine sein kann.
Sie sind Unternehmer, was ist dabei Ihr geschäftliches Kalkül?
Christian Miele: Die Idee ist, den Tennissport in Deutschland durch konsequente Öffnung und Modernisierung zur neuen Popularität zu führen, zu einem Angebot, das für die ganze Familie interessant sein kann, weil wir ein Freizeiterlebnis
wie in einem Robinson-Club bieten: Tennis, Padel, Multicourts, Beachvolleyball, Spielmöglichkeiten für die Kinder, Gastronomie, Tischtennis, Billard und manches mehr. Zu Ihrer Frage: Mehr Tennis bedeutet mehr Umsatz in meinem Geschäft – online und in Stores. Aber mich treibt in erster Linie meine Leidenschaft für den Tennis an, die Philosophie von Tennis-Point war von Anfang an „More than just a shop“. Wir haben uns immer schon mit Themen beschäftigt, die eigentlich ar nicht in unserem Hoheitsgebiet sind, sind bereits seit vielen Jahren in intensivem Austausch mit dem Deutschen Tennisbund und erarbeiten Konzepte, wie ein moderner Tennisclub aussehen müsste. Alle wollen ja, dass die Sportart sich weiterentwickelt: DTB, Handel, Industrie, Bekleidungs- und Rackethersteller, Spieler, Trainer – es gibt
ja keinen Gegner. Wenn es das, was wir in Gütersloh aufgebaut haben, in jeder Stadt geben würde, hätten wir einen
riesigen Tennis-Boom. Gütersloh ist heute bereits eine richtige Hochburg des Tennis, hat engagierte Vereine: Rot-Weiß ist toll, TTC im Stadtpark ist mega, die SVA-Anlage an der Dalke ist klasse. Und das gilt auch für andere Vereinear nicht in unserem Hoheitsgebiet sind, sind bereits seit vielen Jahren in intensivem Austausch mit dem Deutschen Tennisbund und erarbeiten Konzepte, wie ein moderner Tennisclub aussehen müsste. Alle wollen ja, dass die Sportart sich weiterentwickelt:
DTB, Handel, Industrie, Bekleidungs- und Rackethersteller, Spieler, Trainer – es gibt ja keinen Gegner. Wenn es das, was wir
in Gütersloh aufgebaut haben, in jeder Stadt geben würde, hätten wir einen riesigen Tennis-Boom. Gütersloh ist heute
bereits eine richtige Hochburg des Tennis, hat engagierte Vereine: Rot-Weiß ist toll, TTC im Stadtpark ist mega, die
SVA-Anlage an der Dalke ist klasse. Und das gilt auch für andere Vereine.
Werden Sie mit ihrem Erfolg am Postdamm nicht ein gefährlicher Konkurrent für die anderen Vereine in Gütersloh?
Christian Miele: Unser Thema ist immer: Niemals anderen Vereinen was wegnehmen. Wir möchten keine neuen Mitglieder, die von anderen Vereinen kommen. Deswegen haben wir unglaublich viele Anfänger, die ausnahmslos aktiv sind. Das sind 350 neue Racket- sportler in Gütersloh, wobei vor allem Padel wie eine Bombe eingeschlagen ist!
Treten Sie als Investor auf?
Christian Miele: Nein, ich vernetze nur, bin ein strategischer Partner mit Kontakten in der gesamten Infrastruktur der Tennis-
welt: Platzbauer, Hersteller, Verbände, Organisatoren von Turnieren und so weiter. Alle haben Interesse daran, dass der Tennissport in Deutschland wieder wächst. Und dass er ein modernes Image bekommt, zum Beispiel durch überzeugende Nachhaltigkeitsprogramme, mit denen Vereine perspektivisch auch Refinanzierungsmöglichkeiten erwirtschaften können. Jedes Jahr sammeln wir zum Beispiel zwei Millionen ausgediente Tennisbälle in eigens dafür produzierten gelben Bälleboxen zur Wiederverwertung: Wir trennen Filz vom Kautschuk, der geschreddert wird, am Ende entsteht ein Granulat mit dämpfender Wirkung für den Tennisplatz. Platzbauer brauchen das. Wir sprechen da viel mit der Tennisindustrie. Man kann das Granulat auch zur Falldämpfung auf Kinderspielplätzen ein- setzen. Weiteres Beispiel: Ich möchte in drei Jahren Granulat in die Sohlen von Tennisschuhen verarbeiten lassen. Ein Alexander Zverev könnte dann die Dämpfung aus alten Tennisbällen unterm Schuh haben. Ich habe auch schon mit einer Autobahnmeisterei gesprochen: Das Granulat könnte man mit seiner dämpfenden Wirkung auch bei Leitplanken einsetzen. Man kann wirklich viel machen. Noch ein Beispiel: Sie kennen die typischen Plastikbänke, die seit den 80ern an der Seiten- linie stehen. Sie muss heute aber mehr können. Sie muss ein Solarpanel haben, um unser Handy aufzuladen und unsere Getränke zu kühlen. Und zwei Stäbe an den Seiten, um Taschen dranzuhängen. Dafür gibt’s dann ein Magnetschild für die Werbung des Sponsors.
Müssen andere Vereine dafür bezahlen, wenn sie von Ihren Erfahrungen profitieren wollen?
Christian Miele: Nein! Wir liefern gewissermaßen ein Erfolgshandbuch, kostenlos. Unser Interesse ist allein das Tenniswachstum in Deutschland. In diesem lebendem Dokument zeigen wir aber auch ehrlich auf, was nicht funktioniert hat. Beispiel Padel-Anlage: Wir haben bei all den Themen rund um die Errichtung der Plätze – Termine bei der Stadt, beim Gärtner, Schallgutachten, Erdarbeiten, welche Fundamente und so weiter – viele positive und auch negative Erfahrungen gemacht. Mit unserem Erfolgshandbuch wollen wir diese Erfahrungen gerne weitergeben. Wir zeigen darin auch auf, wie man die Kosten, die den Vereinen entstehen, finanzieren kann – im Idealfall auch durch Kooperationen mit Finanzierungspartnern.
Wozu raten Sie beim Thema Gastronomie?
Christian Miele: Natürlich haben wir hier eine privilegierte Situation, wenn unsere Gäste auf der Terrasse beim Eichenhof per QR-Code einen Drink bestellen können und der wird Minuten später auch geliefert. Tatsache ist, von 100 Vereinen haben 80 keine eigene Gastronomie. Meistens gibt es Holzhütten, die von Mannschaften, Ehrenamtlichen oder Müttern stunden-
weise, wenn was los ist, betreut werden. Warum nicht in der übrigen Zeit den Spielerinnen und Spielern Automaten anbieten, um sie mit Bällen und Getränkken und so weiter zu versorgen? Vielleicht auch einen geleasten Dampfgarer, um Pizzen aufzubacken? Auch damit kann ein Verein zusätzliche Einnahmequellen generieren.
Wird es denn den klassischen Verein in Zukunft überhaupt noch geben?
Christian Miele: Der Trend geht in die Richtung, dass übliche Vorstände mit der klassischen Besetzung 1. und 2. Vorsitzender, 1. und 2. Sportwart, Pressewart, Jugendwart, Kassenwart, Bewirtungs- ausschuss, Beisitzer weniger werden. Es gibt schon lange die Idee, Sportdirektoren oder Geschäftsführer, die sogar mehrere Vereine organisieren, fest anzustellen – gegen Bezahlung. Die ehrenamtliche Arbeit verliert an Attraktivität. Also müssen die Vereine kommerzieller aufgestellt
werden.
Zum Event am 29. Juni: Erwarten Sie auch Vertreter der Stadt?
Christian Miele: Wir würden uns über den Besuch der Stadt und der Politik freuen, denn unser Erfolg ist ein Gewinn für Gütersloh. Die Anlage von Club Tennis-Point bietet viel Potential, in diesem Sommer veranstalten wir zum Beispiel einen Firmencup. 100 Unternehmen und Organisationen dürfen mitspielen. Und selbstverständlich auch Anfänger. Es gibt noch eine Reihe von solchen Ideen und wir würden für die Umsetzungen gerne eng mit der Stadt zusammenarbeiten. Wir beschäftigen uns viel mit der Zukunft und wissen, dass sich der Tennissport weiterentwickeln muss. Unser Ziel ist, dass der „Club Tennis-Point“ ein Ort zum Wohlfühlen für die ganze Familie wird. Mit unseren Angeboten wollen wir ein Urlaubsge- fühl schaffen, auch wenn es vielleicht nur zwei Stunden in der Woche sind. Viele Länder sind uns da weit voraus.