„Bauverhinderungsbehörde? Quatsch!“
Baudezernent Albrecht Pförtner kritisiert das Schwarz-Weiß-Denken
In der August-Ausgabe unseres Magazins haben wir Gütersloher Expertinnen und Experten gebeten, anlässlich der Kommunalwahlen am 14. September ihre Gedanken und Impulse für eine zukunftsgerichtete Lokalpolitik jeweils aus ihrem Fachgebiet zu formulieren. Architekt Thomas Spooren kritisierte in seinem Beitrag („Bürokratie nein – Bürgernähe ja!“) bürokratische Hürden in der Zusammenarbeit mit der Baubehörde. Im Gespräch mit gt!nfo verweist der zuständige Baudezernent Albrecht Pförtner auf Recht und Gesetz.
Herr Pförtner, der Gütersloher Architekt Thomas Spooren kritisierte in einem gt!nfo-Beitrag die mangelnde Kommunikationsmöglichkeit von Architekten mit dem Fachbereich Bauordnung der Stadtverwaltung. Alles falsch oder liegt die Wahrheit in der Mitte?
Albrecht Pförtner: Wir haben ein klares Arbeitsethos im Geschäftsbereich: Jede Kontaktaufnahme wird gleichbehandelt, jeder hat die gleichen Rechte. Insofern kann es stimmen, dass es persönliche direkte Absprachen mit Einführung der übrigens bereits kompletten Digitalisierung in unserem Fachbereich in der alten Form nicht mehr gibt. Mehr als 50 Prozent aller Bauanträge werden inzwischen reibungslos digital eingereicht und 100 Prozent innerhalb der gesetzlichen Frist digital abgearbeitet, sobald bei ihnen sämtliche Unterlagen vorliegen. Beim Rest müssen wir Informationen nachfordern. Dafür sind aber nun mal die Architekten zuständig und verantwortlich. Erst dann können wir den kompletten Antrag – also was will wer wie wo machen? – intern hier in die Fachbereiche und extern an die zuständigen Behörden über die Informationsplattform streuen, auf die alle Beteiligten gleichermaßen und auch gleichzeitig Zugriff haben. Wir selbst prüfen in unserem Geo-Informationssystem zum Beispiel, welche Restriktionen auf dem Grundstück liegen. Wir sehen mit unseren Tools tatsächlich alles, nichtsdestotrotz muss man manchmal auch rausfahren, wenn es Sinn macht.
Es heißt, das Rathaus sei nicht mehr so offen für Gespräche im Vorfeld eines digitalen Bauantrags. Können Sie das nachvollziehen?
Nein! Selbstverständlich stehen wir immer für Gespräche zur Verfügung, ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Es gilt aber: Für uns sind die jeweils aktuellen Detailregelungen der Baugesetze wie Brandschutz und Sicherheitsauflagen verbindlich. Und Bauen im Außenbereich ist immer eine besonders komplexe Herausforderung, weil da viele mitsprechen: Landwirtschaftskammer, Untere Wasserbehörde, eventuell der Beirat der Unteren Landschaftsbehörde, Tiefbauamt, Grünflächenamt und so weiter. Genehmigung des Bauordnungsamts nach dem Motto: Ich entscheide ohne Einbeziehung Dritter? Forget it.
Und wenn Sie es trotzdem tun, wird geklagt?
Ja. Aber natürlich entscheiden wir so ja auch nicht. Schon aus dem Grund, weil es in Gütersloh eine klagefreudige Bevölkerung gibt, die gegen uns den Rechtsweg wählen – überwiegend als Nachbarn, Betroffene, Interessenvertreter, wie auch immer. Und zwar stets gegen unsere Baugenehmigungen. Soweit ich weiß, hat die Stadt bisher nahezu sämtliche Prozesse gewonnen oder wir haben einen Vergleich geschlossen, eben weil wir uns konsequent nach der Gesetzeslage richten. Ich nenn Ihnen mal ein Beispiel für die Klagefreude in Gütersloh: Da pflaumt mich geradezu ein Unternehmer an: Wir wollen anbauen, die beiden Bäume müssen weg! Beteiligte Fachbereiche im Prozess des Verfahrens verweigerten jedoch ihre Zusage, so dass wir nicht genehmigen konnten. Darüber beschwerte er sich massiv. Dieselbe Person fühlt sich als Privatmann aber betroffen von einem Bauvorhaben seines Nachbarn, wo ebenfalls Bäume wegsollen. Hier fordert er von uns maximalen Baumschutz ein.
Sehen Sie sich eher als Ermöglichungsbehörde?
Wir tun alles, um ein Projekt zum Erfolg zu führen. Aber es gibt immer wieder Zielkonflikte, zum Beispiel, wenn Bäume wegen eines Anbaus gefällt werden müssen. Wir ermöglichen und verhindern dann gleichzeitig, je nach Sichtweise. Alles schwarz-weiß zu betrachten, das ist Quatsch. Leider ist die Welt etwas komplexer. Wir müssen immer wieder zwischen berechtigtem Investitionsinteresse, zum Beispiel bei Nachverdichtung, und Umweltbelangen abwägen. Ich stehe schon dafür, dass wir Spielräume nutzen und sind insbesondere bei Bauleitplanverfahren in der permanenten Rückkopplung mit der Politik, was durchaus ein Aufwand ist: In Gütersloh müssen wir uns aktuell mit sechs Fraktionen abstimmen.
Man hört von Bauherren immer wieder Kritik an der Dauer der Bearbeitungszeiten ihrer Anträge. Zufriedenheit in der Zusammenarbeit mit dem Rathaus klingt anders.
Ich akzeptiere solche pauschalen Aussagen nicht. Nennen Sie mir Beispiele, dann kann ich mich dazu äußern. Unsere Erfahrung ist: Meistens sind es unvollständige Bauvorlagen oder es steckt eine andere Behörde oder ein Nachbar dahinter, die sagen: Ihr dürft das nicht. Wir werden aber jetzt die Transparenz, die die Digitale Bauakte den Architekten bietet, wiedereinstellen, damit man also von außen sehen kann, welche Behörde noch keine Stellungnahme abgegeben hat, die wir aber dringend benötigen, um letztlich als Bauordnungsamt unsere Genehmigung aussprechen zu können.
Warum hatten Sie diese Transparenz denn abgestellt?
Weil sich die beteiligten Behörden über Anrufe der Architekten oder Bauherren beschwert haben. Ich weiß aber gar nicht, ob den Architekten die Transparenz, dass zum Beispiel von zehn erst acht Stellungnahmen vorliegen, etwas bringt. Die letzte Stellungnahme kann das K.o. des Verfahrens bedeuten. Die anderen Behörden werden not amused sein. Und vielleicht ihre Kontaktdaten rausnehmen.
Gibt es in der Verwaltung auch mal Mut zu unperfekten Lösungen? Ermessungsspielräume, die Sie nutzen? Oder erleben wir einen Führungs- und Sinneswandel in der Verwaltung? Ich bin hier angetreten, dass wir die Dinge schnell zu einer Entscheidung bringen. Das kann auch eine „schnelle“ Ablehnung sein. Es geht immer um Einzelfragen. Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren schon einen Kulturwandel geschafft, haben zum Beispiel mit der Politik einen Prozess-Rahmenplan für Großprojekte in der Innenstadt wie aktuell für Marten und das Postareal entwickelt, um schneller zu Ergebnissen zu kommen. Natürlich wird mehr kolportiert, was nicht so gut läuft. Manchmal sind Interessenlagen aber so unterschiedlich, dass ein Problem nicht konfliktfrei zu lösen ist. Dann ist der Petent nicht zufrieden, aber wir haben eine Entscheidung. Ich bin der Oberpragmatiker vor dem Herrn, es gibt aber welche, die wegen pragmatischer Lösungen sofort vor Gericht ziehen. Fakt ist auch, dass wir als 100.000-Einwohner-Stadt unter Beobachtung der Aufsichtsbehörden und der umliegenden Städte und Gemeinden stehen nach dem Motto: Was in Gütersloh geht, wollen wir dann auch.
Alles spricht von Digitalisierung und Entbürokratisierung. Wie weit sind Sie da im Rathaus?
Ich glaube, es wird unterschätzt, was hier alles schon digitalisiert ist. Aber das ist ein Prozess, der seine Zeit braucht, denken Sie an die Verzahnung mit anderen Behörden auf Orts-, Kreis-, Regional- und Landesebene. Die Digitalisierung ist ein Riesenthema im Rathaus, um Standardprozesse zu verschlanken und zu entbürokratisieren. Da ist unsere Bauordnungsbehörde vorne weg, die Antragsprüfung mit KI ist jetzt der nächste Schritt. Damit wir noch schneller werden.
Ist geregelt, wann Sie als Dezernent bei Bauanträgen persönlich eingeschaltet werden? Gibt es dafür Parameter wie Projektgröße, Bausumme oder der Name des Investors?
Das kommt immer auf den Einzelfall an. Manchmal weiß man, da gibt es Nervösität in der Nachbarschaft, auch bei einfachen Bauvorhaben. Wenn Probleme lauern, werde ich informiert. Bei großen Projekten natürlich ohnehin. Bei größeren und sehr komplexen Projekten hole ich im Vorfeld alle wesentlichen Beteiligten an einen Tisch. Grundsätzlich pflegen wir die Verlagerung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf die Sachbearbeiterebene..
Gibt es einen verbindlichen Verhaltenskodex im Umgang der Verwaltungsmitarbeiter mit den Bürgern?
Ein Leitbild in diesem Sinne gibt es tatsächlich nicht. Eine Stadtverwaltung steht unter permanenter Kontrolle der Aufsichtsbehörden, der Politik, der Bevölkerung. Selbstreinigungsprozesse gibt es ausreichend. Die Gemeindeprüfungsanstalt prüft in regelmäßigem Turnus Arbeitsbereiche der Verwaltungen. Vor einigen Jahren auch unseren Fachbereich Bauordnung. Dort wurde beispielsweise vermerkt, dass es bei uns kein Vier-Augen-Prinzip bei der Letztentscheidung zur Baugenehmigung gibt. Wir haben das dann hier sofort eingeführt. Dies soll die Rechtssicherheit und Gleichbehandlung sicherstellen und vor allem auch der Korruptionsvorbeugung dienen.
Leerstehende Dachgeschosse, Bebauung in zweiter Reihe oder die Umwandlung von einem Ein- zu einem Zweifamilienhaus: Sind das Themen, die die Stadtverwaltung aktiv angeht?
Wir unterstützen die Bauherren, wo wir können. Wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, sind Dachgeschossausbauten überhaupt kein Problem, auch nicht der Umbau zu einem Zweifamilienhaus. Beim Bauen in der zweiten Reihe dagegen gibt es immer Protest aus der Nachbarschaft. Auch bei Lückenschlüssen geht man sofort steil, wenn wir Ermöglichungsbehörde sind. Wir treten immer jemandem auf den Schlips.
Gibt es Städte, die bei der Reduzierung von Bürokratie besonders erfolgreich sind und von denen Gütersloh lernen könnte?
Es gibt immer wieder Versuche, Modellversuche aufzusetzen, bleibt dabei aber stets im Klein-Klein. Weil die Gesetze des Bundes es nicht anders hergeben und der Bund sich nicht traut, Gesetze gänzlich zu streichen. Das würde uns wirklich helfen. Für uns gilt: Wir wollen und müssen uns verbessern, jeden Tag. Wer ein Problem hat oder einen Konflikt aufkommen sieht, kann sich ausdrücklich direkt an mich wenden. Und im Übrigen: Wenn wir einen Fehler gemacht haben, werden wir uns entschuldigen. Keiner ist fehlerfrei.
Foto: Heiner Wichelmann