Gute Schnitte in einem freiem Land
LIeblingsplätze – Serie von Thorsten Wagner-Conert
Jan Ali Murad hat es geschafft: Der junge Mann aus dem Irak ist als Friseurmeister seit 2013 selbstständig – mitten in Gütersloh. Unweit seines Geschäfts in der Königstraße liegt sein Lieblingsplatz: Der Dreiecksplatz. Da hat sich Thorsten Wagner-Conert mit ihm getroffen.
Jan Ali Murad hat einen deutschen Pass, und er teilt aktuell die Sorgen vieler Menschen im Land. Er wünscht sich ein starkes, ein freies Deutschland – und er hebt, um seinen Wunsch zu unterstreichen, beide Daumen und sagt: Toi, toi, toi. Viel stärker lässt sich gelungene Integration kaum ausdrücken. Der Friseur hat gute Antennen, um mitzubekommen, wenn sich eine Stimmung dreht im Land.
Der Laden läuft
Aus dem Irak ist er nicht von ungefähr nach Deutschland gekommen. Er ist Angehöriger der Religion der Jesiden; ethnisch definiert er sich als Kurde. Weltweit wird die Zahl der Jesiden auf eine Million geschätzt, in Deutschland leben circa 150.000 von ihnen – Menschen, die im Nordirak verfolgt, versklavt und vertrieben werden.
Sein eigentlicher Lieblingsplatz ist das eigene Friseurgeschäft mitten in der Stadt. Darauf ist er stolz, hat zwei Mitarbeiter gleicher Herkunft, der Laden läuft. Dabei war der Anfang nicht leicht: Jan Ali Murad sprach zunächst wenig deutsch, was ihm die Behörden auch zu verstehen gaben. Sinngemäß fragten sie, wie er sich denn selbstständig machen wolle, wie er Kunden ansprechen wolle mit mangelnden Sprachkenntnissen.
Jan Ali Murad ließ sich seine Motivation nicht nehmen, besuchte Sprachkurse, legte die Prüfung zum Friseurmeister ab und startete. Die sprachliche Perfektionierung gelingt seitdem nicht zuletzt durch Stammkunden. „Natürlich spreche ich mit denen deutsch“, sagt der Friseur. Er freut sich über den Feinschliff, den seine Deutschkenntnisse durch die Kunden bekommen. Manches fühle sich immer noch fremd an in seiner neuen Heimat, aber: „Ich fühle mich wie ein Deutscher“, sagt er. Wichtig sei eben Arbeit, der deutsche Pass – und seine Mitarbeiter, „die sind richtig cool. Und freundlich“, sagt er und erhebt damit Freundlichkeit zu einer weiteren deutschen Tugend.
Gesellschaftliches Klima aufgeheizt
Auf die Idee, irgendwann mal wieder in den Irak zurückzugehen, kommt Jan Ali Murad nicht: „Das Leben im Irak ist ganz schwierig“, sagt er. Und er muss es wissen aus regelmäßigen Telefongesprächen mit der Mutter, dem Bruder, dem Cousin, die alle noch im Irak sind.
Der junge Mann bekommt mit, dass sich auch in Deutschland das gesellschaftliche Klima aufgeheizt hat: „Keine Ahnung, wohin das geht, aber ich hoffe, es bleibt friedlich“, sagt er, der von seiner Überzeugung nicht abrückt: „Deutschland ist das beste Land für mich als Jeside“.
Und weil Jan Ali Murad ja auch nicht 24 Stunden am Tag Friseurmeister sein kann, kommen wir doch noch auf seinen Lieblingsplatz draußen zu sprechen, den Dreiecksplatz. Den findet er richtig gelungen – nicht so sehr im Winter, aber im Sommer, da ist er nach Feierabend ausgesprochen gerne hier:
„Essen, Eis essen, Bier trinken – und im Sommer ist doch immer was los hier auf diesem Platz. Da fühle ich mich richtig gut“, sagt der Mann, der dann auch gerne mit seiner Frau einfach unter Leuten ist.
Und wie ist es mit dem Unterschied zwischen irakischem und deutschem Leben, dem Unterschied zwischen seiner Religion und unseren christlichen Kirchen? „Mir ist egal, wie Menschen miteinander leben, wichtig ist, dass sie freundlich sind“, nimmt er jede mögliche Schärfe aus der Unterhaltung und betont die ganz wesentlichen Grundzüge eines guten Miteinanders. Jan Ali Murad verbindet. Auch Beruf und Freizeit übrigens: Bei unserem Treffen am Dreiecksplatz hat er Kamm und Schere dabei – damit schneidet er an seinem anderen Lieblingsplatz gut ab.