„Ganz weg gehen wir ja nicht“
Nach 13 Jahren verlässt Weberei-Chef Steffen Böning mit seinem Bürgerkiez das Kulturzentrum.
Aus Anlass des bevorstehenden Abschieds traf sich Markus Corsmeyer zum Stadtgespräch mit dem Kulturmanager in der Weberei.
Die letzten Tage Bürgerkiez an der Bogenstraße – ein komisches Gefühl?
Unser Team hat bei den Programmangeboten zum Schluss nochmal Vollgas gegeben, so dass der Arbeitsstress derzeit noch die Melancholie überlagert. Aber klar, es gibt mehr und mehr Momente, die einen innehalten lassen. 13 Jahre haben wir tagtäglich und häufig rund um die Uhr gewirkt. Das prägt einen schon.
Ihr geht also nicht mit Frust?
Dass die längster Betreiberzeit dieses Zentrums durch eine lang geplant und dann einfach nicht durchgeführte Baumaßname der Stadtverwaltung endet, ist zweifelsfrei schade. Wenn ich die aktuelle gute Zusammenarbeit mit Bürgermeister und Baudezernent sehe, wäre es zu so einer Situation wie 2023 heute nicht gekommen. Aber das schmälert nicht die tolle Zeit, die viele Menschen und auch wir im Bürgerkiez hatten und haben.
Ihr macht jetzt in Borgholzhausen weiter?
Genau. Seit der Pandemie haben wir ja mehr und mehr auch Kultur zu Menschen gebracht, die nicht an einen festen Ort kommen können oder wollen. Zudem gibt es neben leerstehenden Karstadtgebäuden auch viele andere Locations, die sich eine kulturelle Belebung wünschen. Dem sind wir gerecht geworden.
Warum ausgerechnet Borgholzhausen?
Parallel zu unseren „Kultur on Tour“-Aktivitäten ist es immer gut, auch eine feste Bühne im Zugriff zu haben. Die Sozialkultur funktioniert manchmal auch nur sehr spontan. Der Bahnhof suchte einen neuen Kultur-Bespieler und bietet vom Gebäude her das, was wir benötigen. Zudem haben wir den Eindruck, dass sich die Region auf eine weitere Bereicherung ihres Kulturangebotes freut.
Und die Zappelfete habt ihr geschützt und nehmt sie mit nach Borgolzhausen?
Geschützt haben wir einige Formate nach der Pandemie, als es durch unsere „weltweiten“ Streamingangebote viele Marken- und Abmahnjäger gab. Und das war genau richtig, sonst wären die Rechte heute definitiv woanders. Ein Markenschutz ist eine teure und langwierige Angelegenheit und erfordert die aktive Nutzung der Marke. In Borgholzhausen sehe ich die Zappelfete weniger, die gehört nach Gütersloh und am besten wieder in die Weberei. Wenn ein neuer Betreiber eine Zappelfete veranstalten möchte, stehen wir dem nicht im Wege und freuen uns. Im Gegenteil, ohne einen Markenschutz wäre das nicht mehr möglich.
Und die Weberei darf künftig nicht mehr Weberei heißen?
Unsinn. Das ist ein nicht schützbarer Gattungsbegriff. Es gibt viele Firmen mit Weberei im Namen. Zudem ist auch der Schutz für „Alte Weberei“, wie das Zentrum ja vor unseren Zeiten mal hieß, seit einigen Jahren ausgelaufen. Wir nutzen lediglich unser Firmenlogo weiter, das wir damals übernommen haben und seit 13 Jahren auf allen Drucksachen, Kugelschreibern und Briefköpfen einsetzen. Übrigens schon jetzt an ganz vielen Orten in Westfalen. Ich bin mir sicher, dass einem künftigen Betreiber viele neue, kreative Weberei-Logos für seinen Neustart einfallen werden.
Weben ist bei uns übrigens zu einem Begriff für das Verweben von sozialen Strukturen mit Kultur geworden, wie mein Kollege Andreas Oehme es immer so schön beschreibt.
Was wird es konkret 2026 vom Bürgerkiez an Kultur geben?
Wir haben ja jetzt viele Veranstaltungen im Angebot. Mehrere Variete-Shows in Versmold und Bielefeld, Kindertheater in Rietberg, Bingo in Rheda und Lesungen in Oelde. Dazu startet ab Mai das Programm in Borgholzhausen. Nach einer zünftigen Eröffnung macht das OWL-Krimifestival bei uns Station. Dann wir es regelmäßig Musik, Lesungen und andere Darbietungen auf unserer Bühne geben. Zudem lädt das Gelände auch zu Familienfesten und Flohmärkten ein.
Kommen alle Mitarbeiter mit nach Borgholzhausen?
Unser Firmensitz ist in Bielefeld, Borgholzhausen unsere Heimatbühne. Aber ja, bis vor wenigen Wochen war es ja trotz unserer langfristigen Kündigung in Gütersloh unklar, wie es mit dem Bürgerzentrum weitergeht. Durch unsere Aktivitäten konnten wir vielen Mitarbeitenden, Künstlern und Künstlerinnen sowie Freelancer zumindest eine Perspektive anbieten.
Wird es im Weberei-Bahnhof auch eine Gastronomie geben?
Das Gebäude ermöglicht auch die gastronomische Versorgung. Das wird jedoch anlassbezogen sein. Wir werden keine täglich geöffnete Kneipe oder ein Bistro betreiben. Aber, wer seinen Geburtstag oder sein Betriebsfest bei uns feiert, bekommt natürlich das passende Catering dazu.
Kommt ihr auch nochmal nach Gütersloh zurück?
Also, ganz weg gehen wir ja nicht. Wir planen auch in Gütersloh spannende Kulturangebote, gerne auch in der Weberei, wenn das wieder möglich ist. Natürlich hätten wir gerne auf die Kündigung verzichtet, aber in dem kaputten Gebäude war unser Konzept nicht mehr möglich. Dennoch finden wir Gütersloh nach wie vor „ganz ok“ – was ja hier in Ostwestfalen einer 5-Sterne-Bewertung gleichkommt.
Was passiert jetzt noch aktuell in der Bogenstraße?
Ohne die traditionellen Weihnachtstreffen ist die Weberei nicht vorstellbar. Nach der SmallStars-Auflösung heizt das GTown-Rock-Orchester bei unseren Konzerten zwischen den Jahren richtig ein und dann ist mit der Silvester-Sause Schluss. Im Januar feiern wir dann nochmal intern mit allen, die zum Erfolg der Bürgerkiez-Zeit beigetragen haben und dann müssen wir am 1. Februar das Gebäude der Stadtverwaltung besenrein übergeben. Einige Dinge, die der Förderverein für seinen Baustellenbetrieb gebrauchen kann wie Tische, Stühle, Bühnen, Theken usw. lassen wir vor Ort.
Was ist dein persönliches Fazit zu deiner Zeit als Weberei-Chef?
Ich bereue das nicht. Am Anfang habe ich immer gesagt, dass das unser zweiter Zivildienst ist. Dass jeder eine Meinung zur Weberei hat, zeigt nur, wie wichtig sie ist. Wir haben viele Gesichter, gerade von Menschen, die woanders schnell mal durchs Raster fallen, glücklich gemacht. Das hat Freude gemacht. Dass es die Weberei schon immer nicht leicht hatte und auch andere tolle Initiativen, vom Jugendkulturring bis zu tollen Festival-Ideen, in Gütersloh ersticken, bedauere ich. Einige Verwaltungsmenschen verkennen hier leider, dass sie Dienstleister und Lösungsentwickler für Bürger und Unternehmen sind, die sie mit ihren Steuern gut bezahlen. Aber das kann sich ja ändern, wir tragen gerne weiter dazu bei.
HINTERGRUND
Geschäftsführer Steffen Böning ist vor 13 Jahren von dem Gütersloher Unternehmen Bertelsmann zur Weberei gewechselt und führte seitdem das Sozio-Kulturzentrum. Nach der Kündigung des Mietvertrages mit der Stadt Gütersloh geht Böning nunmehr mit seinem Partner Andreas Oehme neue Wege und zieht mit der Bürgerkiez gGmbH und ihren Angeboten unter dem Namen „Weberei Bahnhof“ in den Bahnhof-Borgholzhausen.
Foto: Markus Corsmeyer












