Nicht von Pappe. Und doch …
Norbert Jebramcik (64) lebt am Stadtrand von Gütersloh in Richtung Herzebrock, in einem Siedlungsidyll. Hier ist er aufgewachsen und nie wirklich weggekommen. Warum auch? Sein Zuhause gibt ihm gleich zwei Lieblingsplätze: den Garten und den Keller. In letzterem hat Thorsten Wagner-Conert ihn getroffen – aus gutem Grund. Hier nämlich bringt Norbert Jebramcik das alte Gütersloh noch einmal in Form.

Seit Mitte der 1990er-Jahre betreibt Norbert Jebramcik historischen Modellbau – und da geht es nicht um irgendeinen: Angefangen hatte alles mit dem Alten Kirchplatz, der einzig wirklich erhaltenen Häuserzeile von einst. Im Jahr 2000 wurde das fertige Werk zu 175 Jahren Stadtrechte Gütersloh in der Öffentlichkeit präsentiert – und die war begeistert. Nun sind wir ein Vierteljahrhundert weiter und das besondere Gütersloh in Modellgröße wächst und wächst. Und es wird im Jubeljahr gleich zweimal besondere Aufmerksamkeit bekommen.
Grafikkarton ist das Material, aus dem der akribische (und mittlerweile stadthistorisch sehr bewanderte) Modellbauer das alte Gütersloh neu entstehen lässt. Neben Karton braucht er viele Skalpell-Klingen, mit denen er seine maßstabgetreuen und detailverliebten Zeichnungen ausschneidet und zu 3D-Modellen zusammenklebt. UHU lagert entsprechend reichlich im Hobbykeller.
„Das größte Haus, was ich mal hatte, das ist die Martin-Luther-Kirche gewesen, weil die sehr viele Winkel hat, die ich dann auch jeweils immer einschneiden, einritzen musste. Die ganze Kirche war dann fast drei Meter lang als Faltkarton, bis ich sie dann zusammengeklebt habe.“ Bis zum fertigen Modell ist es irre viel Arbeit. Für die Martin-Luther-Kirche brauchte der Gütersloh-Macher vier Jahre. Generell gilt: Je besser die Infos, die Karten, das Fotomaterial, desto größer ist die Chance auf ein echtes Stück Gütersloh in Neuauflage.
Als er den Modellbau für sich entdeckte, war Norbert Jebramcik noch im Beruf. Und da empfand er das Konstruieren, Basteln und Forschen zur Gütersloher Geschichte als wunderbaren Ausgleich zum Alltag.
Das neue, alte Gütersloh braucht Platz: Vieles ist eingelagert in einer extra Wohnung, manches wird den staunenden Betrachtern ständig präsentiert: Es gibt immerwährende Ausstellungen in der Martin-Luther- und der Apostelkirche und im Stadtarchiv. Manchmal kommt Norbert Jebramcik mit einem Satz Pinsel vorbei und befreit seine Werke vom Staub des Alltags.
An der Kaiserlichen Post, die auf der Ecke Eickhoff-/Kökerstraße stand, hat sich der wohl außergewöhnlichste Modellbauer weit und breit fast die Zähne ausgebissen: „Das war eine große Aufgabe: ein wunderschönes Haus mit viel Stuckarbeiten und sehr verwinkelt, die Dachflächen dann zusammenzubekommen, das war nicht gerade einfach“, erinnert er sich. Norbert Jebramcik liebt die selbstauferlegten Herausforderungen. Als nächstes warten die alte Brauerei, die Pankratius-Kirche, das alte St. Elisabeth-Hospital.
2016 hatte der Modellbauer seine erste größere Ausstellung während der „langenachtderkunst“. In diesem Jahr wird er sehr verdiente Beachtung bekommen beim „Donnerlüttken“ und dann später im November in der Galerie der Stadthalle.
Und dann werden die mehr oder weniger reifen Gütersloher sich wieder staunend erinnern, sie werden raten, vermuten, wo die Häuser tatsächlich gestanden haben, was da heute steht, was daneben war… Norbert Jebramcik hat ein Hobby, das ihn am liebsten in seinem Keller sein lässt – besonders in der dunkleren Jahreszeit, wenn der Garten ihn nicht braucht. Und da unten hat er noch jede Menge vor. Mit Hilfe des Stadtarchivs wird er weiter Gütersloh rekonstruieren, Luftbilder analysieren, andere zu ihren Erinnerungen befragen.

Die beste Oase, die schönsten Plätze sind beim Tüftler zuhause. Und je häufiger er im Keller ist, desto mehr wächst das ungewöhnliche Modellbau-Hobby: Aus Pappe, aber: nicht von Pappe.