Jetzt geht es um die Zukunft der Apostelkirche

Autor: gt!nfo

Fotos: Markus Corsmeyer

03.11.2022


„Mit leichtem Gepäck mutig sein“ ist der Leitspruch des Presbyteriums der Ev. Kirchengemeinde Gütersloh für ihren Zukunftsprozess. Jetzt gibt es Protest an der Entscheidung, die Apostelkirche aufzugeben. Schwere Last statt leichtes Gepäck?


Nein, ich glaube nicht, wenn auch die Entscheidung des Verzichts auf Kirchenorte Schwere mit sich bringt. Aber: Die Entscheidung, die wir getroffen haben, ist Teil eines Zukunftsprozesses, den wir vor zwei Jahren in der evangelischen Kirchengemeinde begonnen haben. Der Leitsatz gibt etwas von der Energie dieses Prozesses wieder. Denn er sagt, dass wir aufbrechen, wirklich verändern wollen – einerseits aus der Notwendigkeit heraus, dass wir mit unseren finanziellen und personellen Ressourcen nicht mehr leisten können, was wir bisher geleistet haben. Dann auch: Dass wir wirklich losgehen wollen zu den Menschen, in die Stadtgesellschaft hinein. Das bedeutet: Wir müssen Vertrautes aufgeben – Arbeitsbereiche, Gebäude – um verändern zu können.

 

In diesem Sinne also auch die Apostelkirche?

Wir haben in diesen Prozess sehr sorgfältig strukturiert, Meinungen von außen, junge Stimmen mit aufgenommen, verschiedene Szenarien entwickelt und diskutiert.  Die Entscheidung, von den beiden Innenstadtkirchen ab 2032 nur noch die Martin-Luther-Kirche weiterzuführen, ist im Presbyterium, dem insgesamt 31 Menschen, Pfarrpersonen und Laien angehören, mit sehr großer Mehrheit gefallen. Alle Beteiligten fanden, dass ein fairer Prozess dieser Entscheidung vorausgegangen ist. Ich selbst finde es gut, dass wir tatsächlich den Mut hatten, eine Entscheidung zu treffen und nicht im „Vielleicht“ geblieben sind. Das schafft Klarheit und Offenheit für alle weiteren Entscheidungen, die nun folgen.


 

Sie sagen auch, dass Sie Ressourcen lieber in Personen als in Gebäude stecken wollen. Die Apostelkirche hat jedoch älteste Kirche von Gütersloh nicht nur stadthistorisch eine Bedeutung, die über die reine Funktion eines Kirchenbaus hinausgeht. Was halten Sie den Kritikern entgegen, die darauf hinweisen?

Die Apostelkirche bleibt ja in ihrem Ensemble des Alten Kirchplatzes erhalten. Sie wird weder abgerissen, noch wird sie verfallen. Jetzt ist Gütersloh gefragt, und ich bin jetzt schon  überrascht, wie viele gute Ideen eingegangen sind und wie viele Menschen Interesse daran haben, die Zukunft dieses Kirchenbaus mitzugestalten. Ich bin sicher, wir kriegen eine gute Lösung hin, vielleicht auch zusammen mit anderen Playern.

 

Macht es sich die Evangelische Kirchengemeinde damit nicht etwas einfach?

Nein, denn wir haben nicht einzeln über das Ja oder Nein der Apostelkirche entschieden. Die Entscheidung ist wie gesagt Teil eines Prozesses und eines Konzeptes, dem die grundsätzliche Frage zugrunde liegt, ob wir ortskirchlich so weitermachen wollen wie bisher oder ob wir Schwerpunkte setzen wollen. Wir haben uns für das Focusmodell entschieden, eine Schwerpunktarbeit an verschiedenen Orten, ergänzt um die Unterstützung von Initiativen, die selbst organisiert hier andocken können. Diese Grundsatzentscheidung wurde ganz unabhängig von Gebäuden getroffen. Der Umgang damit war die nächste Frage und damit stellte sich auch der Umgang mit den beiden Innenstadtkirchen.

 

Und was spricht für die Weiterführung der einen und die Aufgabe der anderen?

Die Abstimmung im Presbyterium war geheim, das muss ich vorausschicken. Aber ich kann die Argumentationslinien aufzeigen. Wir haben zwei nah beieinander liegende Innenstadtkirchen. Für die Martin-Luther-Kirche spricht ihre Größe und damit die Nutzungsmöglichkeit für eine Vielfalt von Veranstaltungsformaten. Sie bietet außerdem mit ihrer sehr guten Orgel und den Auftrittsmöglichkeiten des Bachchors als Ort der Kirchenmusik die besseren Voraussetzungen. Sie ist die Heimat der Vesperkirche, die in der Apostelkirche so nicht durchgeführt werden könnte. Sie liegt im Zentrum der Stadt, dort wo auch der Markt stattfindet und ist damit für die Stadtkirchenarbeit besonders geeignet. Und es gibt die berechtigte Vermutung, dass das Interesse für eine andere Nachnutzung der Apostelkirche größer ist als für die Martin-Luther-Kirche.

Und natürlich gibt es auch Argumente für die  Apostelkirche, aber all diese Argumente können Teil der nächsten Schritte sein, die nun anstehen.

 

Und diese nächsten Schritte sind?

Wir haben die Zielmarke 2032 gesetzt für die Umsetzung. Das heißt, wir haben genug Zeit, um gemeinsam mit allen Menschen, die mitmachen wollen, die Zukunft der Apostelkirche zu gestalten. Wir haben nun ausreichend Zeit, um Ideen zu sammeln, zu prüfen, um Gespräche zu führen und Interesse zu konkretisieren. Als nächstes wird sich dazu eine Arbeitsgruppe zur Zukunft der Apostelkirche bilden. Aber es gibt zum Beispiel auch schon andere christliche Initiativen, die Ideen entwickeln, zum Beispiel zum Stichwort „Stadtkloster“. Das sind bisher alles nur Gedanken, aber ich will damit sagen: Es gibt Ideen. Und es gibt Menschen, die bereit wären, sich auch finanziell zu engagieren. Es ist nun die Aufgabe, diesen Prozess zu orchestrieren, damit Vorschläge und Initiativen nicht ins Leere gehen. Aber noch einmal: Wir haben keinen Zeitdruck. Wir wollen alle eine gute Lösung, die braucht Zeit, und die haben wir.

 

Haben Sie als Kirchengemeinde bereits mit der Stadt gesprochen?

Nein, noch nicht, zunächst musste ja die Entscheidung fallen. Jetzt ist Zeit und Raum für Gespräche. Das gilt im übrigen auch für die Katholische Kirche.

 

Gibt es Kontakte zur Bürgerstiftung als Nachbarin am Alten Kirchplatz?

Noch nicht, jedenfalls noch keine offiziellen. Aber natürlich werden wir auch mit der Bürgerstiftung Kontakt aufnehmen.

 

Gibt es Denkverbote? Restaurant, Indoorspielplatz – alles vorstellbar?

In dieser Phase der Ideenfindung gibt es keine Denkverbote. Auch wenn für mich persönlich ein Restaurant oder Ähnliches nicht der Favorit wäre. Aber oft sind es ganz „verrückte“ Anstöße von der Seite, die schließlich auf einen guten Weg führen.

 

Wer entscheidet? Wie ist das weitere formale Vorgehen?

Das Presbyterium legt das Konzept und die Entscheidung darüber, was mit der Kirche in Zukunft geschehen soll, der Landeskirche zur Prüfung vor. Die Landeskirche genehmigt, und natürlich muss eine Lösung im Fall der Apostelkirche auch mit dem Denkmalschutz abgestimmt sein. Eine Anmerkung: In der Vergangenheit war die Genehmigung durch die Landeskirche nicht unbedingt immer einfach. Aber inzwischen hat auch die Landeskirche entschieden, dass aus Klimaschutzgründen 40 Prozent der Gebäude abgegeben werden sollen.

 

Was kostet die Apostelkirche eigentlich pro Jahr?

Wir haben in dem entsprechenden Szenario 70 000 Euro Gebäudeunterhaltung im Jahr angesetzt.

 

Sind da schon Steigerungen durch die aktuelle Energiekostenlage mit eingerechnet?

Nein, die verschiedenen Szenarien und Alternativen wurden vor der aktuellen Energielage aufgestellt. Aber wesentlich war auch die Grundsatzentscheidung für das Focusmodell. Wir können beide Innenstadtkirchen kaum voll bespielen. Und wir haben uns entschieden, dass wir die Schwerpunkte Familien- und Jugendarbeit in der Matthäus- und der Erlöserkirche setzen wollen. Sie bieten mit ihren Gemeindezentren beste Möglichkeiten für eine flexible Nutzung, gerade auch für innovative Projekte oder Gottesdienste anderer Art, aber auch fürs „Andocken“ selbst organisierter Gruppen und anderer Initiativen. Und für die Kirchenmusik und die Stadtkirchenarbeit steht die Martin-Luther-Kirche.

 

Was muss ich mir unter Stadtkirchenarbeit vorstellen?

Das ist ein Angebot, dass sich an die gesamte Stadtgesellschaft richtet. Ein breit gefächertes kulturelles und spirituelles Angebot außerhalb der klassischen Gemeindearbeit, sondern mit dem gezielten Ansatz: Wo gibt es Berührungspunkte, um hier etwas gemeinsam zu machen. Beispiele sind bereits bestehende kulturelle Angebote oder auch Gottesdienstformate mit Teilen der Stadtgesellschaft im Format „Kirche trifft“.

Ein starker Impuls für diesen Ansatz kam in den vergangenen Jahren noch einmal durch die Vesperkirche. Da haben wir gesehen, wie riesig die Resonanz in der Stadt war. Aber in der Vesperkirche zeigte sich auch eine spirituelle Sehnsucht der Menschen, die nicht unbedingt in die Kirche kommen wollen,  die aber die Begegnung in der Vesperkirche mit ihren geistigen Impulsen sehr gern genutzt und uns das zurückgespiegelt haben.

 

 Wie wollen Sie die Menschen erreichen, die mitgestalten sollen bei der Zukunft der Apostelkirche?

Indem wir zum Mitmachen einladen. Für mich persönlich ist klar: Wenn Menschen sich einbringen, brauchen sie den Freiraum zu gestalten und mit zu entscheiden.  Aus meiner Sicht muss das so sein, dass verschiedene Szenarien geprüft werden, wie die Kirche weiter genutzt werden soll.  Je nach der Richtung, die wir weitergehen wollen, müssen wir auch bereit sein, Kompetenzen abzugeben. Aber darüber entscheide nicht ich allein, sondern das Presbyterium.

 

Eine Arbeitsgemeinschaft zur Zukunft der Apostelkirche muss also nicht nur aus Kirchenmitgliedern bestehen?

Richtig. Man muss Interesse haben, dass Gutes entsteht, neugierig sein. Kirche steht zwar manchmal in dem Ruf, gleich zuzugreifen, wenn man ihr den kleinen Finger reicht, aber diese Einladung ist ganz unverbindlich in Bezug auf die Mitgliedschaft. Man kann ausprobieren und ist nicht gleich festgelegt. Aber wir brauchen einfach viele Leute – gern von außen, gerne auch junge Leute, Menschen jeden Alters, je bunter desto besser.

 

 

Dirk Stockamp leitet die Arbeitsgruppe zur Apostelkirche. Sein Kontakt für alle, die aktiv mitarbeiten wollen: dirk.stockamp@gmx.de. Alle Infos zum Zukunftskonzept der Ev.Kirchengemeinde unter www.ekgt.de

 

 

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