„Wir haben keine andere Wahl!“

Autor: gt!nfo

Fotos: Sebastian Krysiak

26.08.2021

Zahlreiche Aktive und Initiativen haben schon vor einigen Monaten die Organisation einer Klimawoche für die Stadt Gütersloh in die Hände genommen. Dabei waren die dramatischen Szenen, wie in den Hochwassergebieten, zu dem Zeitpunkt in Deutschland eher reine Theorie. Doch gerade das Erleben dieser Tragödie trägt jetzt dazu bei, dass die Bevölkerung versteht, wie sehr wir alle gleichermaßen betroffen sein können. Die Klimakrise ist überall.


Für dieses Interview stellen wir einigen der Klimawoche-Initiatoren nur eine zentrale Frage:


„Was hat Sie dazu bewegt, bereits Anfang des Jahres eine Klimawoche für Gütersloh auszurufen?“


Felix Kupferschmidt, VCD, Mitorganisator der Klimawoche

„Viele Gütersloher sind schon seit Jahrzehnten für den Klimaschutz aktiv. In den Siebzigern hat der Club of Rome bereits das vorhergesagt, was nun für jeden sichtbar wird. Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und die renommiertesten Wissenschaftlerinnen der Welt haben all das berechnet und ausgeführt. Die Klimawoche Gütersloh ist letztendlich ein weiterer Versuch, das, was alle wissen, nun umzusetzen. Wer in diesem Jahr noch genauso unbedacht in den Urlaub fliegt wie vor Corona, hat es leider noch nicht verstanden. Wir müssen bei uns selbst ansetzen. Und wir müssen Politik und Verwaltung vor Ort und im Land dazu bringen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir die Wende gemeinsam umsetzen. Es gibt sehr offensichtlich Parteien, die den Klimaschutz nun für sich entdecken. Das ist gut. Aber spät und unglaubwürdig. Seit 50 Jahren haben diese Parteien beim Klima vollkommen versagt.“



Anna Kötter, Schülerin der Anne-Frank-Gesamtschule

„Unser Verhalten – vor allem das der älteren Generationen – hat uns dahin geführt, wo wir jetzt stehen: vor einer beginnenden Katastrophe. Ein globales Desaster zeichnet sich ab, an dem insbesondere die Industrienationen Schuld tragen. Meine Generation ist gezwungen, sich dieser Schuld anzunehmen, genauso wie alle folgenden Generationen sich die Schuld jetziger Handlungen annehmen müssen. Eine andere Wahl bleibt uns nicht! Es macht wütend, dass uns Politiker noch immer hinhalten. Sie müssen die Rahmenbedingungen endlich klar setzen, denn so kann es nicht weitergehen. Jeder einzelne kann und muss kleine Schritte gehen, aber die Situation verschärft sich und Riesenschritte werden immer notwendiger. Mit unserer AG ‚Klima und Umwelt‘, dem Solarförderverein an unserer Schule und unseren Aktionen während der Klimawoche, bringen wir das Thema Nachhaltigkeit in den Unterricht ein. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Einbringung des Themas in den Unterricht sind wichtig. Deshalb stellt die Klimawoche hier eine Chance dar.“




Martina Heidland-Hoppe, Parents For Future

„Seit Jahren ist klar, dass dringend effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen werden müssen. Leider werden diese immer wieder bereits im Ansatz ausgebremst und der Bevölkerung mit drohenden „Verboten" Angst vor notwendigen Veränderungen gemacht. Dabei haben die Veränderungen viel Positives zu bieten. Hier mal zwei Beispiele: Eine gelungene Verkehrswende ermöglicht es uns, in schönen und attraktiven Städten zu leben, in denen Menschen saubere Luft atmen, sich gesund fortbewegen können und artenreiche Grünflächen eine hohe Lebensqualität bieten. Die Energiewende bewahrt wertvolle Naturlandschaften und Dörfer vor der Zerstörung durch Kohlebagger, reduziert die CO2-Emissionen und schafft nebenbei tausende von zukunftssicheren, neuen Arbeitsplätzen. Wir sehen in der Klimawoche eine Möglichkeit, Menschen nicht nur zu zeigen, dass diese Veränderungen notwendig sind, sondern auch, wie schön und positiv sie sind. Das Bewusstsein selbst einen Beitrag zu diesen Veränderungen zu leisten, macht einfach zufriedener, ausgeglichener und sogar glücklicher.“



Hubert Kniesburges, IG Metall

„Klimawandel ist ein Gerechtigkeitsproblem. Um den Klimawandel zu stoppen, benötigen wir alle ein Umsteuern auf langlebige Produkte und nachhaltige Dienstleistungen. Die kosten in der Regel mehr Geld. Lohn- und Einkommensgerechtigkeit ist deshalb ein Nachhaltigkeitsziel. Ökologie ist ohne soziale Nachhaltigkeit, ohne Klimagerechtigkeit nicht zu haben. Das bedeutet: Löhne rauf, damit sich auch die kleinen Portemonnaies nachhaltige Produkte leisten können. Arbeitszeit runter und gerecht verteilen, damit sich alle ein gutes Leben leisten können. Denn die Einsparung von klimaschädlichen Emissionen in privaten Haushalten ist ausschließlich das Verdienst der einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen. Während in Deutschland das reichste ein Prozent nichts einsparte, reduzierte die untere Hälfte ihre Emissionen um ein Drittel. Darunter leiden vor allem die ärmsten Bevölkerungsgruppen. Dieses Gerechtigkeitsproblem schreit geradezu danach, von Gewerkschaften und ökologischen Bewegungen aufgegriffen und skandalisiert zu werden.“




Silke Niermann, Geschäftsführerin Stadtbibliothek Gütersloh

„Die UN-Nachhaltigkeitsziele sind für die Stadtbibliothek Gütersloh Programm: Allein die Medienausleihe ist ein Paradebeispiel für Sharing Community und Nachhaltigkeit. Fördergelder ermöglichen noch in diesem Jahr den Aufbau einer ‚Bibliothek der Dinge', die Nähmaschine, Bohrmaschine, Werkzeug oder Spielzeug zur Ausleihe anbietet. Wir bieten zudem verlässliche Informationen zu allen Themen des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit. Und als Akteurin der regionalen Bildungslandschaft setzt sich die Stadtbibliothek besonders für das UN-Nachhaltigkeitsziel ‚inklusive, gerechte und hochwertige Bildung‘ ein. Die Entwicklungen des Bibliotheksgebäudes und unserer Arbeitsprozesse stehen selbstverständlich im Zeichen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz.“



Jürgen Droop, Detlef Fiedrich, Anke Knopp, Demokratie wagen

Die Klimakrise ist eine Herausforderung, die die gesamte Gesellschaft betrifft. Alles schaut auf den Bund und das Land. Aber Klimaschutz beginnt vor Ort. Wir brauchen steten lokalen Druck aus der Bevölkerung, sonst wird sich kommunal wenig ändern. Notwendig ist ein Umdenken und Festsetzen von konkreten Zielen und Vorgaben für die Klimafolgenanpassung. Wir brauchen Wege und Formate, die Lösungen bringen und vor allem die Menschen vor Ort daran beteiligen und informieren. Eine Diskussion aus vielen Blickwinkeln hilft, das vorhandene profunde Wissen in praktisches Handeln gegen die Klimakrise vor Ort umzusetzen. So etwas gelingt beispielsweise durch Bürgerräte.“



Petra Brinkmann, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz (GNU)

Seit fast 50 Jahren kämpfen wir im Kreis Gütersloh für mehr Umwelt- und Naturschutz. Nun erreicht der Klimawandel unseren Alltag, gleichzeitig hat sich vor Ort nicht viel getan: Die Artenvielfalt geht kontinuierlich zurück, der Flächenverbrauch bleibt ungebremst. Die Gütersloher Politiker waren mehrheitlich nicht gewillt auf die Forderungen, auch der jungen Menschen von Fridays for Future, einzugehen. Bei der Klimawoche waren wir sofort dabei, denn hier will eine breite Basis der Stadtgesellschaft den Klimaschutz mit vielen verschiedenen Aspekten vorantreiben. Die GNU wird sich dem Flächenverbrauch durch Bebauung und Straßenbau sowie den wertvollen, alten Bäumen widmen.“


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