„Sanierung vor Abriss“

Markus Corsmeyer

Autor: Markus Corsmeyer

Fotos: Markus Corsmeyer

01.12.2022

Der Gütersloher Architekt Thomas Spooren gilt als ausgewiesener Experte für energieeffizientes Bauen und das Thema Nachhaltigkeit in der Architektur. Insbesondere mit denkmalgeschützten und erhaltenswerten Gebäuden hat er sich in der Region und darüber hinaus einen Namen gemacht. Wir sprachen mit Thomas Spooren über intelligentes Sanieren und das Bauen der Zukunft.

 

Energieeffizientes Bauen: Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

 

Das ist zum einen die Bauweise, man sollte am besten mit nachwachsenden oder vorhandenen Rohstoffen wie Holz und Lehm oder auch Stroh oder andere Gräser als Dämmmaterial bau. Darüber hinaus steht in diesem Zusammenhang auch regionales Bauen im Fokus, um die Energie für den Transport zu minimieren. Die Gebäude sollten so gut gedämmt sein, dass nur wenig Energie zum Heizen benötigt wird. Idealerweise auch durch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. So wird die Energie effektiv genutzt. Da wir weg müssen von Öl und Gas, ist für Hausbesitzer eine elektrisch betriebene Wärmepumpe in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage zurzeit die erste Wahl.

 

Ist energieeffizientes Bauen der Weg in eine bessere Zukunft?

Natürlich, sonst können wir nicht klimaneutral werden. Wichtig ist: Wir als Mitverursacher der Klimakrise müssen eine führende Rolle übernehmen. Abwarten geht nicht mehr.

 

Welche Faktoren spielen für nachhaltiges Bauen eine Rolle? Worauf sollte man während des Bauprojektes achten?

Es sollte endlich auch gesetzlich geregelt werden, dass der Grundsatz „Sanierung vor Abriss“ überall gilt. Mit jedem Abriss geht ja auch ein Stück Baukultur unwiederbringlich verloren.

 

Energieeffizientes Bauen hat auch etwas mit unserem Denken zu tun. Müssen wir uns vom Wohlstand verabschieden und quasi das innere Gebäude einreißen?

 

„Das rechnet sich nicht“ ist so ziemlich das dümmste Argument der Ewiggestrigen, von denen es leider in unserem Land noch immer viel zu viele gibt. Unseren Wohlstand einzuschränken ist der falsche Ansatz, den Wohlstand für die Zukunft zu sichern, ist erste Bürgerpflicht.

 

Was bedeutet das genau?

Zusammengefasst: weniger Flugreisen, mehr zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren, das „Saufauto“ (SUV, Anmerkung der Redaktion) verkaufen und sich ein sparsameres oder – besser – ein E-Auto zulegen. Von dem Rest des Geldes kann man eine Photovoltaikanlage installiert werden– und wenn dann noch was übrig ist, das Geld weltweit für Zukunftsprojekte spenden. Nur weil unser Porscheminister den Spitzensteuersatz nicht erhöhen will, kann doch jeder selbst zukunftsfähige Projekte unterstützen, und dazu braucht es nicht einmal Geld, sondern bürgerschaftliches Engagement. Fridays for Future zeigen den Weg: Runter vom Sofa kann ein guter Anfang sein.

 

Der Begriff „graue Energie“ ist aktuell in aller Munde. Welche Bedeutung hat die graue Energie für das klimagerechte Bauen?

Die sogenannte graue Energie, also die Energie, die schon einmal für die Herstellung von Baustoffen verbraucht wurde, sollte unbedingt erhalten werden. Wenn die tatsächlichen Kosten für den Abriss, den Transport und das Schreddern wirklich eingepreist wären, würde sich diese Frage so nicht mehr stellen.

 

Lässt sich energieeffizientes Bauen und Sanieren auch ohne staatliche Förderungen wirtschaftlich sinnvoll darstellen?

Nachhaltig handeln heißt, die Zukunft der Menschheit zu sichern. Und die ist gefährdet, wenn wir nicht radikal umdenken. Das bedeutet darüber hinaus, jetzt alles, was wir uns auf Kosten der Umwelt gegönnt haben, auf den Prüfstand zu stellen. Wir müssen das gesamte System der rücksichtslosen Gewinnorientierung auf allen gesellschaftlichen Ebenen in Frage stellen. Das ist kein einfacher Weg, aber es gibt keine sinnvolle Alternative.

 

Glauben Sie, dass sich nachhaltiges Bauen auf Dauer durchsetzen wird?

Ich hoffe, dass sich ein neues Denken entwickeln wird. Wichtig für die Zukunft unserer Kinder ist die Ausbildung des Lehrpersonals, da kleben wir noch fest an alten Mustern.

Aber eigentlich kann sich jede Person unabhängig von der sozialen Stellung oder dem verfügbaren Einkommen engagieren.

 

… und wie können wir uns dann genau verhalten?

 

Konkret bedeutet das: Wenn jemand zur Miete wohnt, sind die Möglichkeiten, Energie zu sparen, natürlich sehr begrenzt. Raumtemperaturen absenken ist klar. Man muss jeden Wohnraum trotzdem ein wenig heizen, damit durch Tauwasserausfall an den Außenwänden kein Schimmel entstehen kann. Richtiges Lüften ist ganz wichtig – und das heißt Stoßlüften, am besten Querlüften für ein paar Minuten. Das Fenster auf Kippe zu stellen, vergeudet zu viel Energie.

 

Haben Sie noch weitere konkrete Tipps?

 

Ja, klar. Nach dem Duschen morgens nicht sofort die Fenster aufreißen, sondern ruhig mal die Badezimmertür offenlassen, die Luftfeuchtigkeit ist in den Heizmonaten oft eher zu niedrig. Kontrollieren kann man das mit einem Hygrometer, das schon für 20 Euro zu kaufen ist. Wer Eigentümer einer Wohnung oder eines Häuschens ist, kann natürlich mehr machen. Das wäre eine optimale Einstellung der Heizungsanlage, die allerdings nur ein Installateur vornehmen kann. Wichtig ist auch die Luftdichtigkeit der Gebäudehülle, damit keine warme Luft unnötig entweicht.

 

… aber wo kann die Luft denn genau entweichen – und wie kann man die Luftdichtigkeit gewährleisten?

 

Zum Beispiel durch eine undichte Tür zum Kellergeschoß oder eine Bodenluke. Ein so genanntes Luftdichtigkeitskonzept bringt mit minimalem Aufwand – zum Beispiel durch Dichtbänder – viele Einsparungen.

 

Wenn der Ressourcenverbrauch für Nachhaltigkeit und Klimaschutz so wichtig ist, welche Rolle spielt der Neubau noch in einer nachhaltigen Architektur?

 

Der Neubau von Wohnungen ist jetzt schon wegen der gestiegenen Baukosten und der relativ hohen Zinsbelastungen rückläufig. Wir werden in Zukunft aus ökonomischen und ökologischen Zwängen auch wesentlich kleiner bauen. Wenn wir aber ein Einwanderungsland werden wollen, allein um die Renten in Zukunft zu sichern, brauchen wir dringend bezahlbaren Wohnraum und nicht auf irgendeiner grünen Wiese, sondern in den Ballungsgebieten. Nachverdichtung ist an vielen Stellen möglich, das Beispiel sind große Wohnkomplexe oberhalb von Parkplätzen oder auch der Ausbau der Dachgeschosse zu Wohnzwecken.

 

Der klassische Häuslebauer stirbt also aus?

 

Der Traum vom Einfamilienhaus im Grünen ist eher ausgeträumt, weil unwirtschaftlich – und für die meisten Menschen auch unbezahlbar.

 

 


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