NEIN OHNE JA

Autor: gt!nfo

Fotos: Detlef Güthenke

03.03.2023


Von Rolf Wischnath    

                                           

Auf einmal ist durch den Russland-Ukraine-Krieg der Einsatz von Atombomben wieder eine reale Zerstörungs- und Todesgefahr. Putin, Labrow, Medwedew und hohe russische Militärs drohen permanent mit dem Einsatz der Atomwaffen. Der amerikanische Präsident Biden droht zurück.

Russland ist hinsichtlich der nuklearen Ausrüstung das weltweit stärkste und – mit Nordkorea – auch das rücksichtsloseste Land. Und darin ist Putin sehr ernst zu nehmen: Die Drohung mit der nuklearen Bewaffnung ist kein „Bluff“.


Inzwischen rückt der Zeiger der Uhr der internationalen Nuklearwissenschaftler, die Doomsday Clock, auf 44 Sekunden vor Mitternacht. In der 73-jährigen Geschichte dieser symbolischen Weltuntergangsuhr waren wir nach Meinung der Atomwaffen-Gelehrten nie näher an der atomaren Katastrophe dran wie gegenwärtig. Die Doomsday Clock tickt und schreitet voran, noch näher ans Desaster. Selbst Präsident Biden spricht vom drohenden „Armageddon“. Das ist nach dem letzten Buch der Bibel die endzeitliche militärische Katastrophe, die zum Weltuntergang führt. Ob bibelgläubig oder nicht, wir dürfen uns nicht vertrösten mit einem „So schlimm wird’s doch nicht werden.“

„Russland muss besiegt werden/die Ukraine muss immer stärkere Waffen“ bekommen, fordern Berliner Spitzenpolitiker – immer lauter. Wer den Krieg gegen den Kriegsverbrecher Putin nicht befürwortet und alternativlos findet, ist – nur ein Beispiel - für den ehemaligen Kriegsdienstverweigerer und Mitglied des „Kommunistischen Bundes Westdeutschland“, des heutigen Grünen-Vordenkers Ralf Fücks ein „Unterwerfungspazifist“ [SPIEGEL 13. 7. 2022].


Allerdings ist die Diffamierung des Pazifismus schon immer Werkzeug von Kriegsbefürwortern gewesen. Pazifisten dürfen da nicht empfindlich und wehleidig sein. Mit dem Vater des Programms eines gewaltlosen Widerstandes, Professor Dr. Theodor Ebert (Berlin), vertreten wir die Meinung:

„Wir Pazifisten können nicht einfach behaupten, wir hätten für alle Probleme die gewaltfreie Lösung. Aber es gibt hinlängliche Gründe, sie zu suchen, ihnen nachzugehen und auf dem Wege der gewaltfreien Aktion die passenden Lösungen zu finden..

Wir sagen im Blick auf die Atomwaffen: Sie sind in der Anwendung und schon in ihrer Bereitstellung ein unvertretbares Verbrechen. Diejenigen, die sie lagern und ihre Anwendung üben und diejenigen, die sie gutheißen und einzusetzen bereit sind, befürworten eine unübertreffliche Schandtat.

Die abschreckende Wirksamkeit von Atomwaffen wird oft mit dem Satz begründet: „Wer als erster schießt, stirbt als Zweiter.“ Heute muss der Satz lauten: „Auch wenn Einer als Erster schießt, darf der Zweite nicht mit Atomwaffen zurückschießen.“ Denn spätestens der atomare Rückschuss würde den ohnehin schon so versehrten Globus kollabieren lassen.

Zu fragen ist: Wie hoch und wie teuer darf der Preis im Russland-Ukraine-Krieg denn noch sein? Mit welcher Endabsicht wird mit Hilfe westlicher Waffenlieferungen gekämpft? Was ist das Ziel? Heute sind es schon 120.000 Soldaten-Opfer auf beiden Seiten des Krieges, so der US-Generalstabschef Mark Milley. Und zehntausende Zivilisten in Russland und der Ukraine sind dahingerafft. Bis zu welchen Zahlen und Mitteln dürfen schwere Waffen geliefert und mit ihnen Krieg geführt werden? Heute erschallt der Ruf nach Flugzeugen? Morgen? Übermorgen? Auch hinsichtlich der Mitteldinge der kleinen sogenannten „taktischen Atomwaffen“ kann es keine Beruhigung geben. „Klein“ ist eine Lüge. Jede einzelne von ihnen hat eine Zerstörungskraft, die die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki übertrifft.


Was heißt das nun konkret? (Ich bin mir klar darüber, dass ein Verfasser solcher Appelle - wie auch in Gütersloh geschehen - von den Kriegstreibern, den Bellizisten als „hinrissig“ diskreditiert wird.) Trotzdem ist zu sagen: Auch wenn Putin mit Atomwaffen droht, darf „der Westen“ nicht zurückdrohen und den atomaren Gegenschlag ausführen. Spätestens ein Gegenschlag wird ein solches Inferno auslösen, das die ganze Erde beträfe und in jeder Hinsicht unvertretbar wäre. Schon jetzt muss darum ein „Nein ohne Ja“ auch in dieser Hinsicht ausgesprochen werden: Kein Zweitschlag! Das Übel ist unvorstellbar schrecklicher als es ein waffenloser Widerstand wäre.

Noch eins: Der Nuklear-Kampfjet Tornado ist seit 1981 in der deutschen Luftwaffe im Einsatz. Neue Atombomber sollen in kürzerer Zeit angeschafft werden – bis zu 35 „F-35“ amerikanische Flugzeuge. Die Bundeswehr übt dauernd – auch wenn sie nicht Mitglied der Nuklearmächte ist – nicht nur über Rheinland-Pfalz atomare Einsätze. Und sie bestätigt eine bis Februar 2026 dauernde Sanierung der Landebahn in Büchel. – Die alten und die neuen Flugzeuge sind deutsche Trägersysteme für amerikanischen Atomwaffen. Deshalb ist die Entscheidung für ein Tornado-Nachfolgemodell zugleich auch eine Entscheidung über die weitere nukleare Teilhabe Deutschlands. Die neuen Tornados sind unvorstellbar teuer. Geht diese „nukleare Teilhabe“ im Russland-Ukraine-Krieg auch so weit, dass die fliegenden Atomwaffen ihre Möglichkeiten auch ausüben – mit deutscher Hilfe? Von Deutschland aus gestartete Atombomben – auf Moskau? Deshalb müssten – ich bin mir im Klaren über die Verrücktheit dieser Forderungen – die Tornado-Piloten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 am Atomwaffenstandort Büchel zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen werden. Sie sollten mit der Beihilfe der Römisch-katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche erklären, dass sie sich an der Unterstützung der nuklearen Teilhabe Deutschlands aus Gewissensgründen nicht länger beteiligen können.

In der Ukraine und erst recht in Russland gibt es nicht wenige Pazifisten und Kriegsdienstverweigerer. So sie nicht im Gefängnis sind, ist auf ihre Stimme zu hören. Zusammen mit ihnen wäre im Geist eines pragmatischen Pazifismus zu sagen:


- Widerstand ja, aber gewaltbegrenzend

- darum: weniger Angriffswaffen

- mehr Defensivwaffen

- mehr humanitäre Unterstützung der Ukraine

- Flüchtlinge aufnehmen, mehr Geld dafür

- schärfste wirtschaftliche Sanktionen wie sie geschehen

- intensivste diplomatische Bemühungen

- Feuerpause

- unbedingt Verhandlungen (auch mit Putin)

- Veränderungen mit gewaltlosen Mitteln

- wie bei den friedlichen Revolutionen 1989 im Ostblock

- kirchliche Parteinahme

- Verabscheuung (Exkommunikation) des moskauer patriarchen der orthodoxen Kirche und Kriegspredigers kyrill.

 

Professor Dr. Rolf Wischnath ist evangelischer Pastor. In Brandenburg war er Generalsuperintendent (Regionalbischof).

 

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