Theater ist Gütersloh ist Theater

Autor: gt!nfo

Fotos: Thorsten Wagner-Conert

05.04.2023

Christian Schäfer, 47, ist Chef des Gütersloher Theaters. Ein Zugezogener. Und ein Überzeugungstäter im besten Sinn. In die Gütersloher Geschichte hat er sich hineingearbeitet. Weshalb auch sein Lieblingsplatz, an dem Thorsten Wagner-Conert ihn getroffen hat, nicht verwundert.

 

Wir treffen uns am Alten Kirchplatz als Ihrem Lieblingsplatz, warum eigentlich?

 

…Schäfer: Ich habe den Alten Kirchplatz auch deshalb gewählt, weil ich das Gefühl habe, dass die Gäste unseres Theaters – zumindest, wenn sie im Parkhotel untergebracht sind – den Weg am Alten Kirchplatz vorbei nehmen und regelmäßig zu mir sagen, wie schön doch Gütersloh sei und wie viele alte Häuser es hier noch gäbe…

 

Und da versteht man direkt: Sie können nur am Alten Kirchplatz vorbeigekommen sein.

 

…Schäfer: So nehme ich das jedenfalls an, ja. Und dann ist’s halt auch der passende Ort für diese Rubrik. Ich selbst bin da auch sehr gerne, unter anderem, weil es mich an meinen ehemaligen Arbeitsort Tübingen erinnert, wo es ja sehr viel alte Bausubstanz gibt. Und wenn ich hier zum Beispiel in der Bürgerstiftung bin mit diesen schiefen, alten Decken und den Balken, die aus der Wand kommen, dann fühle ich mich wie im Zimmertheater Tübingen.

 

Tübingen ist eine wirkliche Kulturregion. Was macht jemand aus einer solchen Region in Gütersloh? Was ist da passiert?

 

…Schäfer: Gütersloh hat ja durchaus auch Kultur. Also, wenn da jetzt in der Frage impliziert war, dass es ein gewisses Gefälle gibt, dann vielleicht, weil Gütersloh jünger ist, keine Universitätsstadt und damit in den vergangenen Jahrhunderten kein Hotspot der Dichter und Denker war. Aber es gibt auch neben dem Theater so viele Kulturschaffende, ein soziokulturelles Zentrum, den Dreiecksplatz, bildende Künstler, Chöre, Orchester, Musikschulen, Tanzschulen… Von dem her ist Gütersloh auch eine Kulturstadt.

 

Sie sind seit zehn Jahren Leiter des Gütersloher Theaters. Das geht in einem Gastspieltheater, sonst ist es eher ungewöhnlich.

 

…Schäfer: Es ist eine recht lange Zeit. Und ich habe mich erst sehr gewundert, dass man, wenn man es nicht in den ersten Jahren „versaubeutelt“, theoretisch bis zur Rente bleiben darf. Ich versuche, das mit gleichbleibender Energie und immer neuen Ideen spannend zu halten. Und allein durch die wechselnden Ensembles, die uns besuchen, bleibt es auch immer attraktiv.

 

Sie haben gleich zwei Vorteile: Einerseits kein eigenes Ensemble an der Backe und somit die Chance zu möglicherweise noch mehr Abwechslung – anderseits ist da die Gelegenheit, sich selbst auszutoben mit ein paar Eigeninszenierungen.

 

…Schäfer: Genau, das hat mich natürlich sehr gefreut, als ich hier ankam, dass man darauf auch Lust hatte. Die Eigenproduktionen ergänzen unser Gastspiel-Programm. Da ist unser Ziel, uns auch immer wieder mit Gütersloh zu befassen. So können wir im Gastspieltheater auch mit freischaffenden Künstlern zusammenarbeiten. Das gibt es auch nicht so häufig, ein Gastspielhaus, das punktuell mit Ensemble arbeitet und Autoren in Gang setzt, neue Stücke zu schreiben.

 

Ich kann mich an eine Geschichte erinnern, die Sie gemacht haben, da ging es um den benachbarten Schweinefleischproduzenten. Das ist nicht die einzige Stelle, wo ich mich frage: Wie viel Ärger braucht eigentlich Theater? Wie viel Ärger verträgt Theater?

 

…Schäfer: Was das angesprochene Stück „Oinkonomy“ angeht – also, was es nicht ausgelöst hat, ist ein Theaterskandal. Dazu hat die wunderbare Nora Gomringer den brisanten Stoff vielleicht künstlerisch zu wertvoll verpackt.

 

Scherzhaft sage ich: Wir müssen stärker am Skandal arbeiten, aber bisher ist er uns nicht gelungen. Da sind wir vielleicht zu brav oder zu nett (lacht). Man könnte es schon schaffen, es gibt immer wieder Gelegenheiten dazu – aber Theater machen um des Skandals willen ist Quatsch. Deshalb machen wir das auch nicht. Wenn ein Theaterstück aber Gesprächsthema ist in einer Stadt, womöglich auch aneckt bzw. fragwürdige Vorgänge beleuchtet - das kann schon passieren, und das darf auch gerne passieren. Es wäre sicher langweilig, ein Theaterprogramm zu bieten, bei dem das Publikum nach jeder Aufführung sagt: „War ein gediegener Abend, nette Unterhaltung“ – nein, ab und zu ein bisschen pieksen und anregen zum Nachdenken, das wollen wir natürlich schon.

 

Dieser Lieblingsplatz, der Alte Kirchplatz, der gibt einem Christian Schäfer doch auch Stoff zum Denken, Aufhänger mit Gütersloher Geschichte. Was passiert da in diesem Kopf?

 

…Schäfer: Die Stadt Gütersloh feiert demnächst 200 Jahre Stadtrechte. Am Alten Kirchplatz aber kann man sehen, dass die Stadt einen viel weiter zurückliegenden Ursprung hat. Die Kirche, die ja auch eine sehr spannende Geschichte hatte als Simultankirche der Katholiken und Protestanten, die sich das Haus geteilt hatten, das ist faszinierend. Mit einem der geistlichen Menschen, die dort tätig waren, mit Johann Heinrich Volkening, hatten wir uns ja schon beschäftigt in einer der Produktionen, die Gütersloh als Hintergrund haben. Er bot viel Stoff für ein tolles Theaterstück von Joachim Zelter, „Der Prediger“. Und es verstecken sich hier am Platz noch weitere Geschichten. Zum Beispiel wurde der Begründer der organisierten Seenotrettung in Deutschland, Adolph Bermpohl, hier geboren. Wer weiß, vielleicht könnte auch er in der Zukunft seinen Weg auf die Bühne finden …

 

Christian Schäfer, Chef des Gütersloher Theaters, mag den Alten Kirchplatz. Nicht nur wegen der idyllischen Häuserreihe. Die Stadt feiert zwar demnächst 200 Jahre Stadtrechte, aber hier könne man sehen, dass sie einen viel weiter zurückliegenden Ursprung hat. 

 

Auch die Gäste des Theaters mögen den hübschen Platz mit den alten Häusern, sagt Christian Schäfer.

 

Der Blick geht nach vorn – am Alten Kirchplatz gibt es noch viele Geschichten zu entdecken, die vielleicht mal ihren Weg auf die Bühne des Gütersloher Theaters finden könnten.

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