Zukunft der katholischen Kirche vor Ort

Markus Corsmeyer

Autor: Markus Corsmeyer

Fotos: Michael Kuhne / Alexandra Schmied

02.03.2022


In den vergangenen vier Jahren haben die Gemeinden im Pastoralen Raum Gütersloh eine richtungsweisende Pastoralvereinbarung erarbeitet, in der es um nichts weniger geht als um die zukünftige Ausrichtung der katholischen Kirche in Gütersloh. Das Ergebnis ist ein 10-Punkte-Plan mit einem klaren Prioritätensetzung der identifizierten Maßnahmen. Am 25. März wird das vom Erzbischof unterschriebene Dokument in einem feierlichen Gottesdienst übergeben und damit in Kraft gesetzt.


Transparente Entscheidungsstrukturen


Motor des Prozesses hin zu dieser Pastoralvereinbarung war eine zwölf Mitglieder starke Steuerungsgruppe unter der Koordination von Pastor Dirk Salzmann und Leitung von Pfarrer Elmar Quante. Die Aufgabe der Gruppe war es, die wesentlichen Aspekte gemeinsamen christlichen Lebens und Handelns zu beschreiben und daraus Ziele für die Zukunft zu formulieren. Im Fokus stand dabei die zentrale Frage: „Wozu bist du da, Kirche in Gütersloh?“


Bei der Beantwortung dieser Frage war es uns wichtig, uns auf Dinge zu konzentrieren, die wir hier vor Ort tatsächlich ändern beziehungsweise bewegen können. Die Pastoralvereinbarung konzentriert sich daher auf die Herausforderungen der Kirche vor Ort – und nicht auf die der Weltkirche. Ein weiterer grundlegender Aspekt des Prozesses war für es, bei der Erarbeitung der Visionen möglichst viele Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Jetzt zum Abschluss kann man feststellen, dass es trotz der Hürden, die Corona in den Weg gelegt hat, ein sehr demokratischer, offener und lebhafter Prozess war“, erklärt Dr. Alexandra Schmied, Mitglied der Steuerungsgruppe, den Prozess der Pastoralvereinbarung.


Das spiegelt sich auch im Ergebnis wider, denn neben vielen anderen wichtigen Punkten ist ein Ergebnis der Vereinbarung, einen runden Tisch für wichtige Entscheidungen zu installieren. Hiermit kommt der Pastorale Raum dem Wunsch der Menschen nach transparenten Entscheidungsstrukturen, die auch tatsächlich gelebt werden, nach.





„Energie kommt ins Spiel“

„Die Steuerungsgruppe hat ihren Auftrag zu steuern sehr ernst genommen und Schritt für Schritt den Prozess gestaltet: geplant, verworfen, neu gedacht. Darüber hinaus war ein inhaltliches Interesse spürbar. Wenn kirchliche Entwicklung nicht nur eine abstrakte Forderung 'nach oben', sondern persönliches Anliegen wird, dann kommt Energie ins Spiel“, merkt Markus Menke vom Erzbischöflichen Generalvikariat an.

 

Von der Steuerungsgruppe wurden drei Fragen erarbeitet. Sie sollten den Weg nach vorne weisen und offen für alle Themen der Kirche sein. Die Steuerungsgruppe startete mit diesen drei Fragen eine Umfrage, an der sich möglichst viele Menschen aus den Vereinen und Gruppen der Kirche, aber auch der Gesellschaft beteiligten sollten. Die Mitglieder der Steuerungsgruppe trugen die Fragen in ihr auch außerkirchliches Umfeld, um Antworten von Mitmenschen außerhalb der Kirche zu erhalten. Auf diesem Weg kamen 2.000 Antworten auf alle drei Fragen zusammen.

 

Ein wahrer Schatz an Visionen

„Uns wurde ein wahrer Schatz an Visionen anvertraut. Dieser Schatz birgt kritische und zukunftweisende Worte, er birgt sowohl Schreckensbilder als auch frohmachende und lebendige Bilder von der Kirche“, berichtet Thomas Jaschke als Mitglied der Steuerungsgruppe.

 

Die Antworten wurden durch die verantwortliche Gruppe kategorisiert und in zehn Oberthemen gebündelt. Zum Herausarbeiten der angestrebten Visionen wurde ein Workshop im November 2018 in der Skylobby des Theaters durchgeführt, an dem zirka 200 Interessierte teilnahmen. „Die Veranstaltung gehört zu den absoluten Highlights des gesamten Prozesses“, so Thomas Jaschke weiter. In einem weiteren Schritt wurde zu jedem Oberthema eine Aktivgruppe gebildet, die den Istzustand (Wirklichkeitscheck) im Pastoralen Raum ermittelte. Nach der Vorstellung der Ergebnisse im Juni 2019 erhielten die Aktivgruppen den Auftrag, Maßnahmen, Aktionen und Projekte zu erarbeiten, um Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln, die in die Pastoralvereinbarung aufgenommen werden sollten.

 

Mit Beginn der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen wurde die Arbeit an der Pastoralvereinbarung ausgebremst. Allen Beteiligten wurden schnell klar, dass die Erfahrungen der Corona-Pandemie in die Pastoralvereinbarung aufgenommen werden mussten. „Die Pandemie schwächte uns in unseren Schwächen und stärkte uns in unseren Stärken – aus Sicht des Prozesses ein wahrer Erkenntnisgewinn und für alle Menschen eine existentielle Herausforderung, die mit viel Leid verbunden war und ist“, fassen die Mitglieder der Steuerungsgruppe zusammen.

 

In einem Treffen der Gremien in St. Friedrich im August 2020 wurden die Erfahrungen und Eindrücke gesammelt und verarbeitet. Die Ergebnisse der Arbeit der Frauen und Männer in den Gremien reichten aus, um mit der Verschriftlichung der Pastoralvereinbarung zu beginnen, die nunmehr in einem feierlichen Rahmen am 25. März übergeben wird. Die Pastoralvereinbarung wird die Leitlinien des künftigen Agierens konkret vorgeben (gt!nfo wird auch in der nächsten Ausgabe darüber berichten).

 

„O-Töne“

 

Pfarrer Elmar Quante: „Beeindruckt hat mich das Engagement der Gemeindemitglieder am Beginn des Prozesses, die uns einen Schatz an Erfahrungen mit Kirche und Wünsche an die Kirche vor Ort mit auf dem Weg gegeben haben. Dieser Schatz hat uns über all die Jahre motiviert, mit vielen Engagierten in den Kirchorten eine Pastoralvereinbarung zu erarbeiten, die Zukunft von Kirche in Gütersloh möglich werden lässt. Danken möchte für die Erfahrung vieler offener und kontroverser Diskussionen in der Steuerungsgruppe, die sich positiv auf das Ergebnis ausgewirkt haben. Danke für die ehrlichen Begegnungen!“


Markus Harbaum

„Zum Mitmachen entschlossen hatte ich mich, weil ich es nicht länger ertragen konnte, meine Kirche allein denen zu überlassen, die den Karren über Jahrzehnte

hinweg so tief in den Dreck gefahren haben. In der Steuerungsgruppe kennen lernen durfte ich Ehrenamtliche, die voller Leidenschaft und weitaus engagierter als ich um ihre Kirche kämpfen, und Geistliche, die mit uns an ihrer Kirchenführung verzweifeln, aber trotz allem nicht aufgeben. Die Zusammenarbeit mit beiden hat den Blick für das Wesentliche geschärft, ohne den auf die immensen Probleme zu verstellen.“

 

Pfarrerr Dirk Salzmann: „Das Kostbarste auf dem Weg zu unserer Vereinbarung waren die vielen Menschen, die ich kennengelernt habe. Ihre kritische Leidenschaft, Treue, Zuverlässigkeit und ihr lebendiger Glaube haben mich beeindruckt und motiviert. Es gibt so viele tolle Menschen!"

 

Michael Kuhne: „Als eher kirchenfern habe ich mich bei der Entwicklung der Pastoralvereinbarung engagiert, weil mir das Soziale und Karitative am Herzen liegt. Positiv überrascht hat mich dabei die Kritikfähigkeit aber auch der Schaffenswille aller Beteiligten und der sehr respektvolle Umgang miteinander. In Zeiten digitaler Entfremdung freut es mich zudem, wie kirchliches Gemeindewesen durch seinen Wertekanon Menschen zusammenbringt und ihnen in einer verrückten (pandemischen) Zeit Halt gibt. Mit dieser Erfahrung und den wegweisenden Ideen der Pastoralvereinbarung erhoffe ich mir, dass Kirche den Menschen in Gütersloh zukünftig wieder ganz nah ist.«

 

Dr. Matthias Bergomaz: In der Pastoralvereinbarung hatte die Gemeinde – und nicht die Kirchleitung – die Möglichkeit, die Zukunft der katholischen Kirche in Gütersloh verbindlich zu gestalten, damit die Kirche zukunftsfähig bleibt. Es war faszinierend zu sehen, wie stark die Beteiligung sowohl in der Menge der Ideen als auch in den Sehnsüchten war – als ob ein Ventil geöffnet wurde. Hier wurde lebendige, wandelbare Kirche gelebt."

 

Jutta Schmitz-Bücker:Ich hoffe, dass unsere Pastoralvereinbarung ein entscheidender Schritt für die Kirche von Gütersloh sein wird hin zu dem Bild, das ich in Kopf und Herz habe: eine mutige, offene, ehrliche Kirche, die für alle Menschen da ist und starken Halt geben kann.“ 

 

Horst Pohl: „Ich habe aus Neugierde mitgewirkt und wollte die Chance nutzen, als älteres Gemeindemitglied die Lebendigkeit von Kirche vor Ort in schwierigen Zeiten neu zu gestalten.

 

Dr. Alexandra Schmied: „Die Vereinbarung ist geprägt von einem mutmachenden Veränderungswillen. Ich wünsche uns, dass wir nun mit eben soviel Entschlossenheit an die Umsetzung gehen.“

 

Dr. Nadine Wallmeier: „Die wertvollste Erfahrung im Prozess war für mich die Begegnung und Auseinandersetzung mit den verschiedensten Menschen, ihren Wünschen, Ängsten und Ideen.“

 

Pastor Markus Menke vom Beratungsdienst des Erzbischöflichen Gereralvikairats:Sehr unterschiedliche Charaktere arbeiteten in hoher Verbindlichkeit, mit deutlich verschiedenen Zugängen und Kompetenzen und mit konstruktiver Streitlust zusammen, das war wohl das Rezept für die gelungene Kooperation. Für mich ist gerade dieser Aspekt eine schöne Spiegelung: So sollte Kirche sein.“

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