„Think Tank der Weberei“

Fördervereins-Vorsitzende Birgit Niemann-Hollatz und Felix Kupferschmidt im gt!nfo-Stadtgespräch: Mitverantwortung für die Zukunft des Bürgerzentrums.

Interview: Heiner Wichelmann

Gütersloh döst so dahin, ist die pure Mittelstadt mit mittlerem Anspruch? Stopp! Anderswo ist auch nicht besser und vor allem: Da gibt‘s keine Weberei. Kein städtisch unterstütztes, generationenübergreifendes Begegnungs- und Kulturangebot, kein programmatisch selbstverwaltetes Zentrum für und von und mit Bürgern; kein Stück Heimat, mit dem nahezu jeder Haushalt in der Stadt eine persönliche Geschichte verbindet. Ein wiederbelebter Förderverein hat jetzt seine Arbeit (wieder) aufgenommen. Er will angesichts der bevorstehenden Abwicklung der Bürgerkiez gGmbH und der am 1. Februar 2026 startenden einjährigen Renovierungsphase der Weberei Mitverantwortung für eine Neuausrichtung dieser überregional herausragenden Bürgerzentrums-Institution übernehmen. gt!nfo sprach mit den beiden Vorständen Birgit Niemann-Hollatz und Felix Kupferschmidt.

Frau Niemann-Hollatz, Herr Kupferschmidt, Gütersloh ist ohne die Weberei schwer vorstellbar. Wer verbindet nicht seine jungen Jahre, Freundschaften, Konzerte, Feten, Kultur und so weiter bis heute mit unserem Bürgerzentrum? Droht jetzt, wenn Ende Januar 2026 der Bürgerkiez geht und eine einjährige Sanierungsphase folgt, erstmal ein Stillstand mit ungewissem Ausgang? Welche Rolle sehen Sie da für den Weberei-Förderverein, den Sie gerade neu aktiviert haben?

Kupferschmidt: Auf jeden Fall eine gestaltende Rolle im Sinne der Tradition des Hauses, nämlich ein Bürgertreffpunkt und ein Kreativzentrum für alle Generationen zu sein – „ohne hohe Hürden und Kosten“, wie wir es in einem Ziele-Papier formulieren. Die alten Ideen von Mitbestimmung und Demokratieförderung sollen weiter bestehen, das ist die DNA der Weberei und dafür wollen wir uns einsetzen.
Niemann-Hollatz: Ein offenes, demokratisches, lebendiges sozio- und interkulturelles Zentrum, das ist das Ziel. Da kommen wir her und das wollen wir auch weiterentwickeln. Ein Haus der Kommunikation soll es sein, für die ganze Stadtgesellschaft.

Von dem Förderverein der Weberei hatte man lange nichts mehr gehört …

Niemann-Hollatz: Stimmt. Ihn gibt es ja schon seit Beginn der Weberei im Januar 1984. Ich war zunächst Beisitzerin, später dann Vorsitzende. 2018 war die Luft irgendwie raus. Damals hatten wir nur noch 40 Mitglieder und wir haben den Verein dann ruhiggestellt. Wir haben ihn nicht aufgelöst, um ihn bei Bedarf wiederbeleben zu können. Als Geschäftsführer Steffen Böning für die Bürgerkiez gGmbH den Vertrag mit der Stadt Gütersloh zum Ende des Jahres 2025 kündigte, kamen wir im alten Vorstand zur Überzeugung, dass wir handeln mussten. Wir haben uns dann im September vergangenen Jahres mit den eingeladenen Mitgliedern und Weberei-Freundinnen und -Freunden erstmalig wieder getroffen – und stießen auf große Resonanz bei ganz vielen Interessierten.

Was waren denn die ersten Ergebnisse?

Kupferschmidt: Zum Beispiel die Bildung von Arbeitsgruppen zu allen Themen: Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit, Räume, Kultur, Gastronomie und so weiter. Der Wunsch kam von den Mitgliedern. Der Gesprächsbedarf ist groß. Noch ist ja die künftige Struktur der Weberei unklar, und wer der Träger der Weberei sein wird, ist völlig offen. Wir wollen uns aber als Verein an den Diskussionen und Überlegungen beteiligen. Wir verstehen uns sozusagen als Think-Tank. Aus Sicht unseres Fördervereins ist eine der entscheidenden Fragen, wie wir die demokratische Einflussnahme unserer Mitglieder gewährleisten können – auch unter einem fremden Träger.
Niemann-Hollatz: Übrigens hatte auch der Workshop der Stadt im Januar zur Neuausrichtung des soziokulturellen Zentrums einen großen Einfluss auf unser Engagement, weil damit weitere Kreise der Stadtgesellschaft angesprochen werden konnten. Auch die Kulturmesse in der Stadthalle war wichtig, wo wir uns vorstellten und Interessierte einluden, mitzumachen und eigene Gestaltungsideen einzubringen. Das Ergebnis: Heute zählen wir bereits 150 Mitglieder. Im Mai haben wir dann einen neuen Vorstand gewählt, der damit handlungsfähig ist. Wir arbeiten auf der Basis der definierten Ziele, für die die Weberei nach Auffassung unserer Mitglieder stehen soll. Das sind zwölf Punkte, die man auch auf unserer Homepage www.weberei-foerderverein.de nachlesen kann.

Worum geht es da im Wesentlichen? 

Niemann-Hollatz: Wie gesagt, die Weberei soll als zentraler Ort für Kultur, Gemeinschaft und Demokratieförderung erhalten bleiben. Sie soll nicht-kommerziell sein, soll benutzerfreundliche Räume für gemeinschaftliche Projekte, Initiativen und Gruppen bieten, soll verstärkt ein Begegnungsort für junge Menschen sein und zum Beispiel auch als Lern- und Arbeitsort für Schülerinnen und Schüler genutzt werden. Die Jugend liegt uns da sehr am Herzen.

Was ist mit der Gastronomie? Bisher konnte man mit den Einnahmen aus der Gastro die Soziokultur querfinanzieren. Kann dieses Konzept weiterbetrieben werden? Welcher Gastronom ist bereit, auf Teile seines Gewinns zu verzichten?

Kupferschmidt: Zunächst: Die Gastronomie ist natürlich unverzichtbar. Aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch als Kommunikationsort. Sie ist der Mittelpunkt der Weberei. Hier trifft man sich. Sollte die Gastro fremdvergeben werden, muss klar sein, dass sie wesentlich vom Renommee der Soziokultur im Haus lebt. Es wäre unfair, das eine vom anderen zu trennen. Ich persönlich meine, das muss auf irgendeine Weise miteinander verzahnt sein.

Sie erwähnten, dass die künftige Struktur der Weberei noch unklar ist. Die Gespräche laufen, die Politik wird irgendwann über einen Betreiber entscheiden müssen. Wie wollen Sie sich in der Zwischenzeit positionieren? Was planen Sie konkret?

Niemann-Hollatz: Wir konzentrieren uns auf die Übergangsphase, wenn ab Ende Januar 26 die Renovierungsarbeiten Küche und Gastro-Sanitärbereich laufen. Da versuchen wir uns einzuklinken, um den Betrieb der Weberei so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Wir arbeiten da jetzt schon sehr gut und vertrauensvoll mit der Stadt zusammen. Im Herbst muss klar sein, wie es im Februar 2026 weitergeht.
Kupferschmidt: Was schön ist: Wir stoßen überall auf offene Türen, in der Verwaltung, in der Politik und in der Stadtgesellschaft. Daher sind wir optimistisch, dass wir ab dem 1. Februar gewährleisten können, dass bei Raumbelegungen jemand reinkommt, dass jemand guckt, ist da alles in Ordnung und so weiter. Anmeldungen könnten über unsere Homepage laufen. Wir sammeln das dann und legen Raumwünsche der Stadt vor. Gemeinsam überlegen wir dann, was wir selbst als Verein leisten können, oder an welcher Stelle die Stadt gebraucht wird. Wir wollen es den zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern so unkompliziert wie möglich machen.

Wer sind Ihre Ansprechpartner bei der Stadt?

Niemann-Hollatz: Das ist vor allem der Fachbereich Kultur mit Dezernent Andreas Kimpel und Fachbereichsleiterin Lena Jäckel. Die Zusammenarbeit ist wirklich gut, wir sind da auf einer Linie. Auch Bürgermeister Matthias Trepper steht positiv zur Weberei. Man gewinnt den Eindruck: Gütersloh ist Weberei. Sie hat eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion in und für unsere Stadt. Wir sind im Übrigen auch mit den Parteien im Rat im Gespräch. Außer mit der AfD.

Ihnen liegt vor allem die Jugend am Herzen. Können Sie die Jugendlichen im Bauteil 5 für eine Mitarbeit im Förderverein begeistern?

Kupferschmidt: Wir sind mit dem Jugendzentrum im Gespräch. Von dort kommt der Hinweis, es sei schwierig, die identischen Jugendlichen auch für unseren Förderverein zu motivieren. Die Selbstwirksamkeit muss erst mal erfahren werden. Wir haben Jugendliche dabei, aber die kommen aus anderen Bereichen. Wir werden versuchen, Jugendliche über Projektarbeit zu motivieren.

Ist es für Sie vorstellbar, dass die Weberei ein Zentrum für eine neue Kommunikationskultur in Gütersloh wird? Dass Parkhotel-Gäste hier genauso gerne verweilen wie der Punk? Neuer Anstrich, neue Begegnung, neues Image?

Kupferschmidt: Genau, es geht auch darum, die Stadtgesellschaft kommunikativ zukunftsfähig zu machen. Nicht nur „modern“ zu werden, sondern wir müssen uns wieder zusammentun. Ein Haus für alle, mit allen. Und ich sehe auch Potential in der Nähe zur Stadtbibliothek. Diese Nachbarschaft ist doch großartig.

Sehen Sie eine mögliche Zusammenarbeit mit der örtlichen Wirtschaft?

Kupferschmidt: Ja, zum Nutzen beider. Natürlich ist Sponsoring immer ein Thema, aber wir müssen uns auch fragen, an welchen Stellen die Weberei zu den Finanzen beitragen kann. Wir sind offen für eigene Vorschläge, zum Beispiel für spezielle Raumgestaltung, die auch Unternehmen für Meetings nutzen können. Gestern noch hat unsere AG Räume getagt und genau das diskutiert: Wie müssen unsere Räume auch für Business-Gäste heute ausgestattet sein? Beamer, Touchscreens, WLAN und so weiter.
Niemann-Hollatz: Im Osnabrücker Kulturzentrum Lagerhalle werden Tagungsräume sehr gerne von der Wirtschaft angenommen, hörten wir bei unserem Besuch dort. Es wäre schön, wenn wir auch in diese Richtung gehen könnten, denn das ist ja unsere Überzeugung: Die Weberei gehört uns allen.

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Kurzgeschichte der Weberei
von der Gründung bis heute

Das Bürgerzentrum Die Weberei wurde am 13. Januar 1984 nach Jahren politischer Diskussion mit knapper sozial-liberaler Mehrheit im Rat als „Alte Weberei“ eröffnet. Bewilligt wurden damals Bau- und Einrichtungskosten in Höhe von 2,25 Millionen D-Mark. Am 8. Januar 2007 meldete Die Weberei aufgrund von Überschuldung Insolvenz an. Damit fand die Selbstverwaltung des Bürgerzentrums durch den Verein „Alte Weberei e.V.“ ihr Ende. Als neue Betreiberin übernahm die gemeinnützige GmbH PariSozial die wirtschaftliche Verantwortung, die im Sommer 2013 dann auch in die Insolvenz ging. Ihr folgten nach einem Auswahlverfahren der Stadt die Brüder Tim und Steffen Böning als neue Betreiber in Form der Bürgerkiez gGmbH. Anfang 2025 kündigte nunmehr die Bürgerkiez gGmbH den Mietvertrag, nachdem die Stadtverwaltung angekündigte Sanierungs- bzw. Renovierungsmaßnahmen (vornehmlich Küche und Sanitärbereich Gastro) kurzfristig um ein Jahr verschoben hatte. Inzwischen ist der Weberei-Förderverein nach einer längeren Pause mit neuem Vorstand zurückgekehrt, um die Entwicklung der Weberei aktiv mitzugestalten und ihre zukünftige Ausrichtung mitzubestimmen.

Fördervereinsvorsitzende Birgit Niemann-Hollatz und Felix Kupferschmidt: „Die Weberei ist Gütersloh.“
Foto: Heiner Wichelmann
Der neue Vorstand des Fördervereins Weberei (v.l.): Jürgen Droop (Beisitzer), Sabine Brigitte Müller (Kassiererin), Manuel Perissinotto (Beisitzer), Birgit Niemann-Hollatz (Vorsitzende), Christiane von Minckwitz (Beisitzerin), Felix Kupferschmidt (Vorsitzender). Foto: Gertraud Theermann

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