Task Force: All together now

Heiner Wichelmann

Autor: Heiner Wichelmann

Fotos: Antoine Jerji

15.04.2021

Vor dem großen Ganzen: Wie sehen Sie aktuell Ihre eigene Situation für Ihr Geschäft angesichts der nicht enden wollenden Corona-Krise?


KERKHOFF: Zur Zeit ist noch alles unsicher, wir werden aber durchkommen. Für unsere Branche müssen wir davon ausgehen, dass es in der Zeit nach Corona in einer großen Welle zu Schließungen in Hotellerie und Gastronomie kommen wird. Weil die großen Umsätze von früher zunächst nicht mehr zu erzielen sein werden. Die gleichzeitigen Verbindlichkeiten, Tilgungsleistungen, Zahlungen werden viele in die Knie zwingen.


GROHE: Ich sehe für meine Branche auch Probleme in der Zukunft. Es gibt ja keine Erfahrungswerte. Man weiß noch nicht, in welcher Form Messen und Konzerte ablaufen werden. Außerdem werden dann die ganzen Springer und Aushilfen, die wir für unser Geschäft brauchen, vom Markt sein. Es wirwd dann, glaube ich, schwierig, Leute kurzfristig zu mobilisieren.


FINKE: Es ist schwer. Ich habe keine November- und Dezemberhilfe bekommen, weil ich durch große Anstrengungen im November noch über der förderwürdigen Umsatzgrenze lag. Wir mussten private Gelder reinstecken und Darlehen aufnehmen – für uns war die Bazooka eine Platzpatrone. Jetzt hoffen wir auf das Überbrückungsgeld III. Für mein Unternehmen wird der Kapitaldienst, glaube ich, noch tragbar sein, aber ich gehe auch davon aus, dass 20 bis 30 Prozent meiner Kollegen bundesweit nach Corona nicht mehr da sein werden. Das werden wir auch in Gütersloh spüren. 


Die Einrichtung der Task Force, in der bewusst auf Vertreter aus der Politik verzichtet wurde, hat überrascht. Wie beurteilen Sie die Entscheidung, die, vom Bürgermeister angeregt, von der Politik unterstützt wurde?


KERKHOFF: Ich denke, es gibt ein Umdenken in der Stadt. Der Konsens ist spürbar, dass etwas gemacht werden muss. Weil man erkennt, wie abhängig voneinander die Bereiche Kultur, Gastronomie und Handel sind. Gütersloh muss bespielt werden – und da ist die Kooperation aller wichtigen Partner wichtig.


Sie sehen also eine neue Allianz unter den Akteuren Stadt, Wirtschaft und Bürger?


KERKHOFF: Absolut. Die Denke ändert sich gerade.


FINKE: Das sehe ich auch so. Wir müssen neben den Geschäftsbetreibern in Handel und Gastronomie aber auch die Anlieger, die Freiberufler und so weiter einbeziehen. Wir alle müssen mehr machen. Es ist sehr positiv, dass die Stadt die Dinge mal anstößt. Es geht darum, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, das ist keine parteipolitische Angelegenheit mehr, das ist gesellschaftlicher Konsens. Ich denke oft: Was gab es früher für ein Leben in der Innenstadt! Citytreff, die vielen Ärztepraxen, der Michaelisumzug, Laufwettbewerbe, Cartrennen, Volleyball – alles das gibt’s nicht mehr. Das muss zurückkommen. Wenn Andreas Kerkhoff sein Oktoberfest auf dem Berliner Platz veranstalten könnte, würde ich mich tierisch freuen. Wir brauchen mehr Leben, mehr Aktion in der Innenstadt – nach Corona. Ich bin auch ein großer Freund vom Fahrrad in der Stadt. Das ist eine gute Entwicklung, wir brauchen die Mobilitätswende. Aber ich bin auch dafür, dass wir die Stadt den Autofahrern, die von außerhalb kommen, öffnen. Nicht alles zumachen!


KERKHOFF: Das große Problem ist für mich die Bürokratie. Zu oft verhindert die Rücksichtnahme auf einen Einzelnen das Wohlergehen der Masse – siehe Parkbad. Es kann nicht sein, dass man alles verhindert. Wir haben in der Task Force auch bereits diskutiert, dass die Gewinner der Pandemie, die es ja gibt, einen Corona-Fond einrichten, wo die reinzahlen. Es ist jetzt noch früh genug für solche Ideen, damit wir, wenn wir Corona bewältigt haben, sofort wieder loslegen können.


GROHE: Die Tendenz, enger zusammenzuarbeiten, gibt es länger. Das hat zum Beispiel im vergangenen August beim Klangwandel auf dem Dreiecksplatz in der Kooperation von Verkehrsverein, Werbegemeinschaft, Kulturgemeinschaft und Fachbereich Kultur bereits sehr gut funktioniert.


Wie sehen Sie die Arbeit der Task Force perspektivisch? Ist das ein Langzeitprojekt?


KERKHOFF: Das ist jedenfalls nicht nach drei Monaten beendet. Die Wiederbelebung und die Zukunftsfähigkeit der Innenstadt, das sind langfristige Projekte. Es geht darum, uns gegen andere Städte zu behaupten, das ist eine Daueraufgabe.


GROHE: Wir müssen auch neue Veranstaltungen etablieren. Keine einmaligen Shows.


FINKE: Ich sehe die Task Force allgemein und langfristig als Ideengeber. Jetzt besteht die Chance, gehört zu werden. Die Politik muss die Anregungen aufnehmen, muss auch Gütersloh Marketing in ihrer Koordinierungsfunktion und für neue Konzepte finanziell noch besser ausstatten, damit sie auch etwas umsetzen kann. Die Denkweise muss sich insgesamt ändern, um die Urbanität wieder in die Innenstadt zurückzuholen.


KERKHOFF: Zu dieser neuen Denkweise gehört aber auch eine ganz andere Herangehensweise bei konkreten Projekten. Als wir versuchten, ein Riesenrad-Dinner vor dem Rathaus oder auf dem Berliner Platz anzubieten – wir hatten das Projekt schon mit Kirmesbetreiber August Schneider ausgearbeitet – hörten wir immer nur, warum das nicht ging. Auch Gütersloh Marketing konnte uns nicht helfen. Wir müssen in Zukunft grundsätzlich anders herangehen, die Frage darf nicht sein, warum etwas nicht möglich ist, sondern andersrum: Was müssen wir machen, damit es geht? Ich glaube, das könnte sich jetzt gerade in diese Richtung verändern. Wir Gastromen sind dann grundsätzlich auch bereit, mal ins wirtschaftliche Risiko zu gehen.


Nennen Sie bitte zwei, drei Punkte, die Sie für essentiell halten, um die Stadt für die Zukunft fit zu machen? Wo sind die Stellschrauben?


GROHE: Ich wünschte mir eine zentrale Anlaufstelle bei der Stadt, die mir bei der Planung von Veranstaltungen, auch jetzt in der Corona-Zeit, helfen kann. Kann ich es digital anlegen, oder muss ich mit Zetteln arbeiten? Solche Fragen. Es gibt diese Anlaufstelle nicht. Und wir brauchen mehr Digitalisierung.


FINKE: Meine Punkte wären: 1. Investition in die Innenstadt – von der Stadt, von den Eigentümern, auch mehr Engagement von den Anwohnern. 2. Entbürokratisierung. Die Frage muss immer sein: Was wollen wir und wie können wir das erreichen? 3. Bei allen Planungen für die Innenstadt ist immer zu berücksichtigen: Schaffen wir damit mehr Urbanität?


KERKHOFF: Essentiell ist für mich auch eine bessere Kooperation der Veranstaltungsplayer in der Stadt – Verkehrsverein, Werbegemeinschaft und Gütersloh Marketing. Das greift nach meinem Eindruck nicht so ganz ineinander, weswegen das große Ganze öfters aus dem Blick gerät. Mehr Zusammenarbeit wäre gut, um die Schlagkraft zu erhöhen. Und ich wünsche mir auch weniger Bürokratie. Manches wird bisher schon im Ansatz zerschlagen.


Wie wird die Stadt in zehn Jahren aussehen?


GROHE: Die Digitalisierung steht an, das ist eine starke Entwicklung. Es gibt viele Konzepte, wie man die Bürger mit einbeziehen kann. Damit kann ich auch spielerisch umgehen, zum Beispiel virtuelle Botschaften auf Gebäudewänden oder -fenstern laufen lassen. Die Stadt wird auch dadurch kommunikativer. Ich halte das Digitale ohnehin für ein Alleinstellungsmerkmal für Gütersloh, denken Sie alleine an die vielen Spieleentwickler, die hier in Gütersloh in Innenstadtbüros gestartet sind.


FINKE: Wir können davon ausgehen, dass das Wohnen in der Innenstadt wesentlich mehr Spielraum bekommen wird. Wenn Ladenlokale auf Dauer leer stehen, müssen wir dafür Flächen umwidmen. Ich bin in der Königstraße aufgewachsen. Damals gab es überall Kinder in der Stadt, weil hier nicht nur gearbeitet, sondern über den Geschäften auch gewohnt wurde. Ich fände es sehr positiv, wenn die Innenstadt sich in diesem Sinne zurückentwickeln würde.


KERKHOFF: Dafür muss aber auch mehr Infrastruktur für Familien geschaffen werden: Kindergärten, Spielplätze, Freizeiteinrichtungen und so weiter. Auf jeden Fall ist die Verflechtung von Wohnen, Arbeit und Handel das richtige Ziel für die Innenstadtentwicklung. In zehn Jahren sollte die Stadt sich in diese Richtung verändert haben.

Im Gespräch

Andreas Kerkhoff

Andreas Kerkhoff

Michael Grohe

Michael Grohe

Markus Finke

Markus Finke

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