Saubere Luft – besseres Lernklima

Heiner Wichelmann

Autor: Heiner Wichelmann

Fotos: Heiner Wichelmann

24.11.2021

Dass in Gütersloh bald in 500 Schulklassen Luftreinigungsgeräte auf Filter- beziehungsweise UVC-Basis installiert sein werden, ist sicher auch eine Folge der hartnäckigen Überzeugungsarbeit der Stadtschulpflegschaft, deren Vorstände Sven Ortmann und Stellvertreterin Verena Ahnepohl über Monate nicht locker ließen. gt!nfo sprach mit den auf der jüngsten Jahreshauptversammlung gerade wieder in ihrem Amt bestätigten Ehrenämtlern über Sponsoren, Luftreinigungstechnik und Maskenpflicht.


Frau Ahnepohl, Herr Ortmann, Sie und Ihre Mitstreiter in der Stadtschulpflegschaft haben mit großem Einsatz über viele Monate für die Ausstattung vor allem unserer Grundschulen mit mobilen Luftfilteranlagen gekämpft, um damit die Gefahr indirekter Corona-Infektionen unserer Kleinen zu minimieren. Ihr Engagement war erfolgreich, obwohl Sie Ihr Vorhaben, eine Million Euro für Luftfilteranlagen über Sponsoren zu sammeln, nicht einhalten konnten. Als 100.000 Euro zusammen waren, haben Sie die Aktion gestoppt. Warum?


Ahnepohl: Es gab im Sommer eine etwas unglückliche Information der Corona-Entscheidungen von Politik und Verwaltung. Die Stadt kommunizierte nach dem Ratsbeschluss im Juli, eine Million Euro für Luftfilter in förderfähige Schulräume investieren zu wollen. Insgesamt stehen inklusive der Landesförderung inzwischen fünf Millionen Euro für das Programm zu Verfügung, zunächst für die Klassen 1 bis 6, anschließend dann auch für die Klassen 7 bis 13. Das hat einige Sponsoren dazu veranlasst, ihre Spendenzusagen zurückzuziehen, da nun die Stadt die Finanzierung übernommen hatte. Die uns zugesagten Spendengelder konnten nun zum Beispiel zur Unterstützung der Sanierungsarbeiten der Flutkatastrophe im Ahrtal eingesetzt werden. Daraufhin haben wir die Kampagne gestoppt. Dazu kam ja auch, dass wir Spender wieder und wieder vertrösten mussten, weil es immer wieder neue Informationen gab, die mit der Stadt abgeklärt werden mussten. Wir wussten noch nicht: Wann fangen wir an, wo fangen wir an, mit welchem Gerät? Es mussten noch manche Details mit der Stadt abgeklärt werden. Erst Anfang November erhielt die Schulpflegschaft Heidewaldschule die Nachricht, die UVC-Luftreinigungsgeräte installieren zu können.


Konnten Sie die Entscheidung der Sponsoren nachvollziehen?


Ortmann: Sicher. Die Stadt wollte anfangs nur die förderfähigen Räume ausstatten. Förderfähig sind die Räume, deren Fenster man zum Beispiel nur auf Kippe stellen kann und die dadurch eine nur schwache Luftwechselrate aufweisen. Wir als Stadtschulpflegschaft gehen aber weiter: Wir wollen auch die Klassen mit öffnungsfähigen Fenstern für die Stoßlüftung zusätzlich mit Luftreinigungsgeräten ausstatten, um generell für ein besseres Lernklima in allen Klassen zu sorgen. Das gilt also auch über die Pandemiezeit hinaus. Es sind schon vor Corona viel zu viele Schultage wegen Erkältungs- und Grippewellen ausgefallen. Die Mehrheit des Rates hat sich auch für eine Ausstattung aller Räume ausgesprochen.


Ist es bei den 100.000 Euro Sponsorengeldern geblieben?

Ortmann: Nein, durch den Rückzug mehrerer Sponsoren – wir sammelten übrigens nur in Gütersloh und nur für Schulen in städtischer Trägerschaft – blieb uns letztlich etwas weniger als die Hälfte der bisher zugesagten Summe. Damit können wir aber immerhin dank des von uns verhandelten sehr attraktiven Preises für die Luftreinigungsgeräte zwei Schulen ausstatten – zunächst alle 12  Räume in der Heidewaldschule, womit wir jetzt starten. Über eine zweite Grundschule ist noch nicht entschieden.


Sie haben also die Luftreinigungsgeräte auf eigene Faust recherchiert, die technischen Varianten studiert, Geld eingesammelt, einen Kaufpreis verhandelt und Überzeugungsarbeit bei Politik und Verwaltung geleistet. Das ist bemerkenswert.


Ahnepohl: Wir beschäftigen uns bereits seit sieben Monaten sehr intensiv mit dem Thema, haben uns da tief reingearbeitet, fanden auch den Kontakt zur Kommunalpolitik und konnten die Fraktionen von der Sinnhaftigkeit der Luftfilter für die Schulen überzeugen. Letztlich kam es dann ja zu dem gemeinsamen Antrag von SPD, BfGT und Bündnis 90/Grüne. Die Linke stimmte zu, die AfD stimmte dagegen, während sich die CDU der Stimme enthielt. Dass jetzt die Geräte an den Schulen installiert werden, ist sicher auch als ein Erfolg der Stadtelternschaft zu sehen. Wir sind ein gut eingespieltes Team im gesamten Vorstand, plus Eltern, plus Schulleitungen, Lehrerschaft und ganz vielen Menschen, die hinter uns stehen. Wir haben auch viel Kontakt zu Nachbarkommunen, bis nach Düsseldorf und bis nach Baden-Württemberg. Da gibt es einen regen Austausch untereinander und manche fragen uns: Wie habt ihr das gemacht, könnt ihr uns unterstützen?


Ortmann: Für mich zeigt dieser Erfolg auch, dass sich ehrenamtliches Engagement lohnt. Es geht uns ja, wie gesagt, nicht nur um eine kurzfristige Lösung unter pandemischen Bedingungen, sondern um eine langfristige Ausstattung der Schulen mit diesen Geräten, damit die Kinder in einer sauberen Luft lernen können.


Ist denn aseptisch saubere Luft in den Klassenräumen überhaupt gesund? Kinder müssen doch auch Widerstandskräfte aufbauen. Wollen Sie jeden Schnupfen verhindern?


Ahnepohl: Es geht um eine Verringerung des Risikos. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es sowieso nicht. Natürlich wird es auch weiterhin Schnupfen und Erkältung geben. Die Kinder sind ja nicht nur im Klassenraum und wir haben ja auch keine luftgereinigten Autos oder spezielle Schutzkleidung für die Kinder. In den Klassenräumen aber können sich die Kinder am wenigsten schützen. Für uns geht es auch um eine kontrollierte Luftbewegung im Raum. Wir möchten damit Krankheitswellen und Unterrichtsausfälle verringern.


Wie haben Sie es geschafft, einen guten Preis zu verhandeln?


Ahnepohl: Wir haben sehr früh nach Anbietern auf dem Markt gesucht. Die Stadt konnte ja erst aktiv werden, als der Rat in einer Sondersitzung am 30. Juli die Investition von Luftfilteranlagen in den 500 Klassenräumen der Grundschulen und der ersten beiden Jahrgänge der weiterführenden Schulen – das betrifft also die Altersgruppe der Kinder bis 12 Jahren – beschlossen hatte. Bei unserer Recherche stießen wir auf einen Händler aus Wolfenbüttel, der uns unglaublich unterstützte, auch mit Daten, Zertifikaten und allen nötigen technischen Informationen, und der uns einen sehr guten Preis machte. Inzwischen ist der Marktpreis um mehr als das Doppelte gestiegen. Das war von dem Wolfenbütteler Unternehmen durchaus auch als ein Stück Anerkennung für das, was wir als Eltern im Stadtbereich leisten, zu verstehen.


Sie sprechen von Luftreinigungsgeräten. Ist das etwas anders als Luftfiltergeräte?


Ahnepohl: Luftreiniger ist der übergeordnete Begriff. Luftfilter sind Geräte mit einem physikalischen Objekt. Es gibt aber auch Luftreiniger auf UV-C Lichtbasis, womit wir hier an der Heidewaldschule arbeiten. Hierbei wird die Luft von Viren gereinigt und die Belastung mit weiteren Schadstoffen wie Schimmelsporen oder anderen allergenen Stoffen reduziert.


Das müssen Sie uns erklären. Warum präferieren Sie die Luftreiniger auf UV-C Basis?


Ahnepohl: Erstens bietet er Schutz bei der aktuellen pandemischen Lage. Die UV-C Geräte können die Viren im Vorbeiflug deaktivieren, weil sie die Zellstruktur der Viren zerstören. Zweitens sorgen diese Geräte für einen kontrollierten Luftzug, weil hier die Gesetze der Strömungslehre wirken: Machen wir im Winter die Fenster auf, sammelt sich die kalte Luft auf dem Fußboden an, erwärmt sich dann und steigt hoch. Das dauert eine Weile, die warme Luft bleibt dann oben. Ein Luftreinigungs-Deckengerät saugt die Aerosole an der Decke an, eliminiert sie, bläst die gereinigte Luft wieder aus und bewirkt so einen künstlichen Luftstrom, wobei sich die Frischluft mit der verbrauchten Luft mischt. Das Ergebnis ist eine effektive, kontrollierte Luftbewegung im Raum, wobei auch die CO2-Bewegung kontrolliert wird. Das Umweltbundesamt stellte noch 2017 fest, dass ein kontrollierter CO2-Austausch allein über Fensterbelüftung nicht möglich ist. Das können wir aber mit unserem UV-C Gerät leisten.


Die erste Ausschreibung der Stadt im September für die förderfähigen Schulklassen war nicht erfolgreich, jetzt werden die Ergebnisse der zweiten Ausschreibung erwartet. Sind Sie optimistisch, dass dieses Mal passende Angebote kommen werden?


Ortmann: Ja, Anfang Dezember sollte feststehen, welches Gerät die Stadt nehmen wird. Die Stadt hatte das erste Mal im September – just bevor die Landesregierung die Förderrichtlinien veröffentlichte – ausgeschrieben, daher fehlten bei den Angeboten einige Werte, die als Fördervoraussetzung neu gesetzt wurden. Zum Beispiel konnten gewisse Lautstärken für die förderfähigen Räume nicht eingehalten werden. Das Thema ist ja sehr komplex: Welche Dezibel-Vorgaben sind bei welchem Raumvolumen und bei welcher Luftleistung bei welchen und wie vielen öffnungsbaren Fenstern einzuhalten? Wie hoch ist der Luftdurchsatz allein durch die Fensteröffnung? Wie kann ich die Luftwechselrate steuern, wenn ich Fenster habe, die ich öffnen kann? Da ist wirklich viel zu beachten.


In der Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Luftreinigungsgeräten in Schulräumen spielte auch immer die Aussage des Städte- und Gemeindebunds NRW eine Rolle, die die Wirksamkeit dieser Investition bezweifelt. Auch wenn sich die Politik in Gütersloh letztlich für die Installierung der Geräte entschieden hat: Was sagen Sie zu der Kritik des Städte- und Gemeindebunds, der sich ja auch Teile der Verwaltung angeschlossen hatten?


Ortmann: Ich bezweifle, dass sich die Mitglieder des Städte- und Gemeindebundes intensiv genug mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Es geht ums Geld.


Ahnepohl: Ich war vor den Herbstferien auf der Fachmesse Indoor-Air in Frankfurt, um weitere Informationen von Fachleuten zu bekommen – Professoren, Raumlufttechnikern, Strömungsmechanikern und so weiter. Es ging um die Klärung, welchen Mehrwert diese Geräte auch nach Corona hinaus bieten, welches Gerät wie arbeitet und so weiter. Für mich als Hochbauingenieurin mit Architekturstudium ein spannendes Thema. Es ist völlig zweifelsfrei, dass die Luftreinigungsgeräte unsere Schulkinder schützen und ich freue mich sehr, dass Gütersloh Ja gesagt hat.


Ortmann: Fördergelder des Landes und des Kreises werden auch über Umlagen der Kommunen refinanziert. Städte wollen diese Belastung lieber vermeiden, weswegen sich beim Städte- und Gemeindetag nur sechs von 26 Mitgliedern für die Geräte aussprachen, 20 dagegen. Allein auf Stoßlüftung, und das auch im Winter, zu setzen, reicht aber nicht. Das sind Thesen von Leuten, die alleine in warmen Räumen sitzen und den Kindern Decken beim Stoßlüften empfehlen.


Ahnepohl: Der Städte- und Gemeindebund behauptet aber, das Stoßlüften reicht und beruft sich dabei auf das Umweltbundesamt. Bis 2017 stellte dieselbe Institution aber fest: „Eine Lüftung über Fenster allein reicht zum Erreichen einer guten Innenraumluftqualität während des Unterrichts in Schulgebäuden nicht aus.“. Da fragt man sich doch: Welches physikalische Gesetz hat sich seitdem geändert? Es geht um kontrollierte Lüftung, das ist der richtige Weg!


Wie sieht die landesweite Luftfilter-Beschlusslage aktuell aus?


Ortmann: Es gibt in NRW nur eine Beschlusslage zur Förderung schlecht belüftbarer Räume, die auch genau definiert sind. Die zu installierenden Geräte müssen die Richtlinien der Arbeitsstättenverordnung erfüllen, welche Lautstärke zum Beispiel nicht überschritten werden darf. Auffallend ist, dass die politische Entscheidung für oder gegen die Luftreinigungsgeräte bei den Parteien uneinheitlich ist: In Bielefeld ist die regierende SPD komplett dagegen, in Gütersloh dafür. Bei der CDU ist es andersrum, wobei sie sich letztlich dann doch nur der Stimme enthielt. Nach unserem Eindruck ist letztlich der Informationsstand bei diesem vielschichtigen, weitreichenden Thema entscheidend. Hier haben wir uns als Stadtschulpflegschaft besonders engagiert, mit Erfolg.


Wie stehen Sie eigentlich zu einer möglichen Wiedereinführung der Maskenpflicht in den Schulen?


Ahnepohl: Da kann ich mich nur privat äußern. Meiner Meinung nach bringt es nichts, wenn ein Kind infiziert ist und sechs weitere müssen deshalb ebenfalls in die Quarantäne. Solange keine anderen effektiven Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ist die Maske momentan der sinnvollste Schutz.

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