„Woche 2021“: Kampf ums Möglichmachen

Heiner Wichelmann

Autor: Heiner Wichelmann

Fotos: Heiner Wichelmann

19.05.2021

Hans-Hermann Strandt, Vorsitzender der Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz, über die Arbeit für eine mögliche „Woche der kleinen Künste 2021“ unter Corona-Bedingungen: von Hoffen und Bangen und konkreter Planung. Bei „Freitag18“ geht’s im Mai zweimal in die Stadthalle.



Hans-Hermann, bitte vervollständige den Satz „Ein Jahr ohne die Woche der kleinen Künste ist möglich, aber ...“


STRANDT: ... klar: sinnlos! Da fehlt dann ganz gewaltig was. Die „Woche der kleinen Künste“ als Ort des ungezwungenen Treffens mit Freunden und Bekannten und als niederschwelliger Zugang zur Kultur hat große Bedeutung für uns und für die Stadt. Sie ist für Gütersloh identifikationsstiftend.


Sind denn auch die Hoffnungen auf eine Woche 2021 sinnlos?


Nein, sicher nicht. Ein Türspalt Hoffnung bleibt, und zurzeit öffnet sich ja diese Tür Stück für Stück . Ob es für die „Woche“ reicht, werden wir sehen. Wir bereiten uns im Vorstands- und Programmteam auf alle möglichen Szenarien vor. Was ich heute sagen kann, ist nicht viel, aber eben doch: Die „Woche 2021“ ist noch nicht gestorben. Aber wir sind schon hin und her gerissen zwischen Hoffen und Bangen. Niemand kann heute sagen, was im Sommer open-air möglich ist. Wir können nur spekulieren. Und das ist der Feind der Planung.


Bedrückt dich der Gedanke, vielleicht zum zweiten Mal die Woche ausfallen lassen zu müssen?


Ja, das macht schon ein bisschen traurig. Die Woche und alles, was dazugehört, sind eine Herzensangelegenheit. Das gilt aber auch für unsere Sommerreihe „Freitag18“. An guten Tagen versammeln sich ja jedesmal 500 bis 700 Gäste auf dem grünen Dreieck. Neben der kulturellen Darbietung ist es die Gelegenheit, in ungezwungener Atmosphäre bei einem kühlen Getränk Freunde zu treffen. Dass dies seit über einem Jahr wegen der pandemischen Ausnahmesituation nicht möglich ist, schmerzt ungemein. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen, und Kultur ist, so sagt man, der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Damit das auch in schwierigen Zeiten so bleibt, wollen wir möglich machen, was derzeit verantwortbar ist. Nichts zu machen ist in dieser Saison für uns keine Option.


Das gilt für die Woche der kleinen Künste genauso wie für Freitag18?


Ja, wir versuchen bei beiden Formaten, möglich zu machen, was geht.


Das heißt konkret?


Wir haben zunächst einmal das vorbereitete Freitag18-Programm vom Mai auf zwei Termine verdichtet und gehen damit on tour in die Nachbarschaft des Dreiecksplatzes. Dank einer Kooperation mit dem Fachbereich Kultur der Stadt Gütersloh gibt es am 21. und 28. Mai 2021 im kleinen Saal der Stadthalle jeweils ein Doppelkonzert. Da nach dem gegenwärtigen Stand der Corona-Schutzverordnung Publikum nicht erlaubt ist, werden wir diese Konzerte im Live-Stream der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Sollte kurzfristig mit Hygienekonzept eine begrenzte Zahl von Besuchern erlaubt sein, werden wir unsere Mitglieder bevorzugt berücksichtigen. Für die Folgemonate müssen wir jeweils nach Lage der Dinge entscheiden.


Die Woche ist organisatorisch, logistisch, finanziell ein Riesenprojekt, das fast ausschließlich von Ehrenamtlichen auf die Beine gestellt wird. Es gibt auch unter Coronabedingungen keine Ermüdungserscheinungen?


Ganz klar: nein! Wir sind untereinander, also im Vorstands- und im Programmteam, im ständigen Kontakt, beraten uns, tauschen Gedanken aus und planen immer mit der Option, dass wir eine sichere, die Besucher nicht gefährdende Veranstaltung auf die Beine bekommen. Wir hoffen alle auf eine deutliche Entspannung der Infektionslage in diesem Sommer. Und warten alle auf ein Stück mehr Normalität auch am Dreiecksplatz. Er ist unser „dritter Ort“, wie es der amerikanische Soziologe Ray Oldenburg mal genannt hat: ein Ort, der nicht Zuhause ist und nicht Arbeitsort oder Schule. Man fühlt sich hier wohl, schaut gerne vorbei, kann bleiben und wieder gehen, Menschen treffen oder auch für sich sein. Zu solch einem „dritten Ort“ hat sich der Dreiecksplatz entwickelt.


Welche Gespräche laufen im Hintergrund? Ihr müsst ja vorbereitet sein, wenn Stadt und Kreis plötzlich grünes Licht geben.


Das werden wir auch sein. Wir pflegen unsere Kontakte zu den Genehmigungsbehörden, auch wenn sie zurzeit nur auf der Basis von geltenden Verordnungen die Lage beurteilen können. Wir setzen noch auf Zeit und auf die Dynamik der Impfkampagne und der politischen Diskussion. Wir haben verabredet, dass wir Anfang Juni miteinander verschiedene Szenarien durchsprechen, wie die „Woche 2021“ ablaufen könnte. In der zweiten Juni-Hälfte entscheiden wir dann darüber, ob, wann und unter welchen Rahmenbedingungen wir das Sommerfestival veranstalten können. Wir kämpfen ums Möglichmachen.


Wie sehen, Stand heute, die Rahmenbedingungen aus, mit denen eine Woche der kleinen Künste in diesem Jahr überhaupt denkbar wäre?


Das sind zum einen eine Besucherregistrierung und -begrenzung über ein Ticketsystem – natürlich würde die „Woche“ für die Besucher kostenlos bleiben. Wir denken an Zugangskontrollen, an Absperrungen, an mögliche Restriktionen für die Gastronomie und damit generell an eine Fokussierung auf den kulturellen Aspekt der Veranstaltung. Klar ist auch, dass Mitglieder der Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz bei der Besucherregistrierung bevorzugt werden. Das sind wir denen schuldig, die uns mit ihren Mitgliedsbeiträgen unterstützen. Unser Mitglied Holger Rinne arbeitet auch bereits an technischen, also digitalen Lösungen.


Was meinst du mit Restriktionen für die Gastronomie?


Unsere Stände rund um den Platz sind äußerst beliebt und dicht umdrängt. Wir gehen davon aus, dass dies in diesem Jahr aufgrund des allgemeinen Abstandsgebotes nicht erlaubt sein wird. Eine Alternative wäre die Bedienung am Tisch – mit Getränken und mit Essangeboten.


Das ist dann schon eine ganz andere Woche, was das Gemeinschaftserlebnis betrifft, oder?


Ja, die Lockerheit, das Unbeschwerte würde darunter leiden. Das ist nicht schön, aber andererseits kann man sich damit trösten, dass der Fokus dieses Mal noch mehr auf den Künstlern liegt, was nicht das Schlechteste wäre: Das Geschehen auf der Bühne ist unser Markenkern und unser Selbstverständnis. Im Übrigen auch der Grund für den Erfolg der „Woche“ seit den ersten Tagen.


Was kannst du von den Künstlern berichten? Bliebe es bei dem alten Setting von 2020, das ja ausfallen musste?


Ja, Im Grundsatz bleibt es dabei. Die meisten Vereinbarungen sind ja inzwischen circa 15 Monate alt. Alle zehn Künstlergruppen haben sich schon vor einem Jahr für 2021 verpflichtet. Unsicherheitsfaktor sind die Rahmenbedingungen bei den ausländischen Künstlergruppen und ist die Frage, ob sich eine exklusive Reise nach Gütersloh lohnt. Da müsste also versucht werden, Anschluss-Gigs zu organisieren, sonst rechnet sich das alles für sie nicht. Sollte etwas nicht klappen, trauen wir uns eventuell notwendige Ergänzungen kurzfristig zu.


Wie sehr leiden die Künstler unter den fehlenden Auftritten vor Publikum? Was kriegst du da mit?


Die Situation ist dramatisch. In aller Regel handelt es sich ja um Soloselbstständige ohne finanzielle Abfederung durch Instrumente wie Kurzarbeitergeld. Sie müssen in der Regel Einkommensverluste zwischen 75 und 85 Prozent hinnehmen. Manch einer wird am Ende auf der Strecke bleiben, übrigens auch Agenturen und Dienstleister aus der Veranstaltungsbranche. Manches Telefonat ist schon sehr bedrückend.


Was bedeutet eine Woche der kleinen Künste unter Corona-Bedingungen finanziell für die Kulturgemeinschaft?


Es gibt einen deutlich höheren Aufwand in Organisation und damit Kosten. Wir erwarten auch Einbußen beim Sponsoring. Der ein oder andere Sponsor – 2019 gab es über 100 verschiedene – ist schlicht weggefallen, andere sind existenzgefährdet. Das ist keine einfache Situation, wenn man bedenkt, dass in „normalen Jahren“ gut Dreiviertel der Kosten der Woche der kleinen Künste über Sponsoring und Spenden abgedeckt werden.


Wäre es eigentlich denkbar, die Woche an anderer Stelle stattfinden zu lassen, weil die Eingrenzung des Publikums auf dem Dreiecksplatz so schwierig ist?


Denkbar ist alles, aber ich kann versichern: Das Original kann es nur auf dem Dreiecksplatz geben. Wir sind ja keine „Kulturgemeinschaft everywhere“. Jedoch: Wir unterwerfen uns in dieser Ausnahmesituation keinen Denkverboten.


Freitag18 online


Was zum Auftakt der diesjährigen Reihe am 21. Mai möglich ist, ist in dieser Ausgabe und auch auf

www.dreiecksplatz-gt.de/events/freitag-18/programm-mai-2021/

aktualisiert nachzulesen. Übrigens: Der Verein arbeitet im Mai und im Juni mit einem Technikdienstleister zusammen, der für diese Veranstaltungen seinen Auszubildenden Gelegenheit gibt, sich unter realen Bedingungen zu beweisen.



Wann wird es wieder „Woche“ in Gütersloh?



Hans-Hermann Strandt, 1. Vorsitzender der Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz (rechts) im Gespräch mit gt!nfo-Redakteur Heiner Wichelmann.



Gibt es eine Woche der kleinen Künste in diesem Sommer? Für Hans-Hermann Strandt ist es ein Blick in die Glaskugel.




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