„Als Marke überall präsent“

Markus Corsmeyer

Autor: Markus Corsmeyer

Fotos: Wolfgang Sauer

29.09.2021

Hunderttausende Handwerker fehlen in Deutschland. Doch die Branche versucht, dem entgegenzuwirken: mit Ausbildung und Studium im Paket, Ausbildungsperspektiven oder Kooperationsmodellen. Sind Handwerksberufe ein Auslaufmodell – oder sieht die Zukunft des Handwerks gar nicht so düster aus, wie so mancher prognostiziert? Wie können junge Menschen ins Handwerk geholt und Fachkräfte rekrutiert werden? gt!nfo-Chefredakteur Markus Corsmeyer sprach mit Alexander Kostka, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Gütersloh, über die Situation des Handwerker-Nachwuchses im Kreis Gütersloh.


 


Wie ist es um den Nachwuchs im Kreis Gütersloh bestellt? Wie ist die Situation?

732 junge Menschen haben in diesem Jahr ihre Ausbildung in einem Handwerksberuf begonnen – das sind 14,2 Prozent mehr als 2020. Ein Grund für dieses starke Comeback ist, dass wir im Handwerk in der Pandemie weiterhin viele Praktika anbieten, um Jugendlichen den Einstieg ins Handwerk zu ebenen.


Wie ist das Ansehen des Handwerks bei Jugendlichen?

Die Jugend ist immer offen für ihre Chancen. Sie muss sie nur kennen. Oft ist die Jugend falsch beraten aus Sorge um den vermeintlich höchsten Berufsabschluss. Man muss heute nach der zehnten Klasse nicht drei Jahre die Schulbank drücken, um studieren zu können. Das geht auch mit einer Ausbildung. Junge Menschen können mit nur zwei, drei zusätzlichen Berufsschulstunden pro Woche das Fachabitur erlangen, zeitgleich mit dem Gesellen- oder Facharbeiterbrief. Wer ein Jahr an der Berufsschule anschließt, kann das Abitur erwerben mit Zugang zu allen Hochschulen, für alle Studienfächer. Das ist noch viel zu wenig bekannt.


Was spricht aus Ihrer Sicht für eine Berufsausbildung im Handwerk?

Es geht von der Schule direkt rein ins pralle Leben. Manchmal ist das auch ein kleiner Schock, aber man lernt, sich einzufügen, Ziele zu erreichen und sich zu behaupten. Dazu kommt das Fachliche: Das Handwerk ist weltweit nirgendwo so weit entwickelt wie hier bei uns. Egal wohin der weitere Weg noch führt, ein Handwerk bietet jungen Menschen immer einen guten Start ins Leben.


Was machen Sie im Kampf um die besten Köpfe?

Uns ist etwas Einmaliges gelungen. Das Handwerk hat sich im Jahr 2010 zu einer bundesweiten Imagekampagne versammelt. Jahr für Jahr wird unsere Kampagne von den besten Agenturen in Deutschland getrieben. Film, Print, soziale Medien – „Das Handwerk“ ist als Marke überall präsent. Unsere Betriebe können sich da leicht dranhängen und eigene Aktivitäten aufbauen.


Wie sind die Karrierechancen im Handwerk?

Es gibt heute vielfältige Spezialisierungen und neue Abschlüsse in der höheren Berufsbildung. Im europäischen Qualifikationsrahmen kann man als Meisterin oder Meister den Bachelor und den Master Professional erwerben. Grenzen setzt man sich im Handwerk nur noch selbst.


Verbinden junge Menschen das Handwerk mit Modernität?

Modern ja, aber nicht trendy. Berufe wie die der Kfz-Mechatronik oder die der technischen Gebäudeausstattung sind seit Jahren in den Top 10 bei der Berufswahl. Andere Berufe wie das Bäckerhandwerk setzen die Tradition bewusst dagegen, auch wenn sie hochtechnisiert sind. Beides funktioniert bei den jungen Menschen.


Gerade kleine Handwerksbetriebe haben es schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden. Woran liegt das?

Es gibt dort keine Personalabteilung, kein Recruiting. Chef und Chefin müssen selbst ran, rein in die Schulen, Praktika anbieten, den Nachwuchs persönlich ansprechen und für sich gewinnen. Dazu braucht man eine Strategie, sonst verbrennt man Zeit. Wir bieten dazu Coachings an, aber mancher glaubt dafür keine Zeit zu haben.


Wie werden junge Leute heute auf eine Ausbildung im Handwerk aufmerksam?

Hauptsächlich über Familie und Schule. Die geben den Ausschlag für die Berufswahl.


Ist das Handwerk immer noch eine reine Männerdomäne – oder beobachten Sie in den vergangenen Jahren auch einen erhöhten Anteil an jungen Frauen?

Was das angeht, treten wir in allen MINT-Berufen auf der Stelle, Handwerk und Industrie. Es dauert, Vorbilder aufzubauen und das Interesse junger Frauen zu wecken, ihr Potenzial auszuschöpfen.


Welche Soft Skills sollten junge Menschen, die sich für das Handwerk als Berufsfeld entscheiden, mitbringen oder sich aneignen?

Kundennähe eint die meisten Handwerksberufe. Man sollte kommunikativ und verbindlich sein, mit den Kollegen ebenso wie mit den Kunden.


Welche Chancen bietet eine Ausbildung im Handwerk im Vergleich zu anderen Branchen?

Der nahe Umgang mit Kunden und Kollegen bewirkt, seine Persönlichkeit zu entwickeln. Das ist unser größtes Plus und ein Schatz für das ganze Erwerbsleben.


Ein Ausblick in die Zukunft: Die Digitalisierung ist in aller Munde, nahezu jeder Bereich ist davon betroffen. Wird es das Handwerk trotz Digitalisierung noch geben – und wie stehen dann die Chancen für Auszubildende? Was wird sich vielleicht noch ändern?

Diese Veränderung sehe ich positiv. Wegen der individuellen Fertigung im Handwerk bestehen wenig Risiken, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze im Handwerk vernichtet. Selbst dort, wo die Industrie sie sogenannte „Stückzahl 1“ anstrebt, ist das handwerkliche Know-how dafür die Basis. Wer analog nicht top ist, kann nicht erfolgreich ins Digitale transformieren. Auch das ist eine Chance für die Auszubildenden des Handwerks. Das Handwerk bleibt.


Wie zukunftsfähig ist das Handwerk generell?

Auf einer Skala von 1 bis 10 gebe ich dem Handwerk da eine 10.

 

Zur Person:

Alexander Kostka (51) ist in Bielefeld geboren, in Köln aufgewachsen, hat Jura studiert, war dann bei der Handwerkskammer beschäftigt, bei der IHK in Münster und schließlich Geschäftsführer beim Baugewerbeverband Westfalen in Dortmund. Er ist seit 2019 Geschäftsführer der Kreishandwerkschaft Gütersloh.



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