Tagsüber Gewebtes, abends Weberei

Autor: Thorsten Wagner-Conert

Fotos: Thorsten Wagner-Conert

28.09.2022


Markus Finke, wie viel Spaß macht es aktuell, mit Mode zu handeln?

 

Während der Lockdowns habe ich gemerkt, was es für mich bedeutet, wenn man seinen Job nicht ausüben kann. Und ich weiß heute, dass ich meinen Job unheimlich gerne mache und den auch sicherlich immer gerne machen werde. So schwierig die Zeit auch ist, ich bin überzeugter Einzelhändler.

 

In der Modebranche hat sich irre viel verändert. Es gibt mittlerweile Hersteller, die zwölf Kollektionen im Jahr in den Markt drücken. Früher gab’s Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter, und dann war’s auch gut. Jetzt sind wir bei zwölf …

 

Ja, wir sind nicht allgemein bei zwölf, es gibt Hersteller, die das so machen und auch mehr als zwölf in den Markt geben. In der Branche reden wir dann von „fast fashion“. Die Wertigkeit der Textilien geht da total den Bach runter, das wird ein, zwei oder auch viermal getragen, dann entsorgt oder auch zurückgegeben. Das ist keine schöne Entwicklung. Das hat weder ökologischen noch ökonomischen Sinn.


 

Wir haben so viele Notwendigkeiten, darüber nachzudenken, ob das alles richtig ist, was wir so tun. Aber aller Krisen zum Trotz machen wir einfach so weiter, Globalisierung zum Beispiel auch im Textilbereich, um die letzten zehn Cent irgendwo rauszupressen, damit es hier billig ist.

 

Ich glaube, da gibt es inzwischen eine Gegenbewegung. Da ist meine Branche ein eklatantes Beispiel: Wenn bei kik oder Primark ein T-Shirt für 1,99 Euro hängt, dann muss man überlegen, dass die Baumwolle irgendwo angepflanzt und geerntet wurde, sie gesponnen und gewebt wurde, zugeschnitten wurde – und das fertige Stück dann noch per Schiff hier nach Europa kommt irgendwo aus Asien, dann weiß man, dass das auf Kosten von Umwelt und Arbeitskräften geht. Wir bezahlen am Ende mit dem Klimawandel zum Beispiel und produzieren Kosten, die die Gesellschaft tragen muss. Mittlerweile ist vielen Herstellern, Händlern und auch Konsumenten bewusst geworden, dass es so nicht mehr geht.

 

Das bestätigt aber ja den schlichten Satz: „Immer billiger war immer schon zu teuer“…

 

Ja. Ich habe heute gezielt ein Sakko angezogen, das habe ich jetzt acht oder neun Jahre. Ein europäisches Produkt aus schottischer Wolle, das ist Qualität, superschön – und ich trage das immer noch gerne. Das hat relativ viel Geld gekostet, aber wenn ich das zehn Jahre trage, ist es immer noch billiger als ständig etwas Neues zu kaufen.

 

Was ist die Aussage dahinter? Ihnen sind Kunden lieber, die alle zwei Jahre kommen – lieber als Kunden, die alle zwei Monate was beim Discounter kaufen?

 

Uns sind alle Kunden lieb, dafür sind wir Händler. Aber wir stehen natürlich für gewisse Werte, da geht’s um Nachhaltigkeit, Qualität, Beratungsqualität – und es geht sicher auch um einen Gegenpol zu immer schneller, höher, weiter. Wir wollen intelligenten Konsum. Es geht doch darum, endlich anzufangen mit der Nachhaltigkeit.

 

Sind Sie eigentlich ein grüner Einzelhändler?

 

Ich weise das nicht von mir, aber vielleicht ist das ein Tucken zu stark formuliert. Ich will neue Wege gehen, aber nicht alles verbieten. Wir können den Klimawandel ja nicht mehr wegreden, der ist ja da. Also müssen wir anfangen, Dinge anders zu machen.

 

Aber es ist ein schmaler Grat, auf dem Sie sich da bewegen. Nehmen Sie Sneaker zum Beispiel. Auf den ersten Blick schicke Schuhe, die sich gegen Lederschuhe häufig durchgesetzt haben. Am Ende ihrer Tage sind diese Sneaker aber Sondermüll.

 

Ganz eindeutig. Da kann man nicht drumherum reden. Die Sportbranche ist noch sehr belastet durch Synthetikmaterialien. Die Branche ist noch nicht da, wo sie hin muss, aber der Umbruch ist da. Bei Wanderschuhen zum Beispiel, da werden schon – oder erst, das kann man sehen, wie man will – 13 Prozent mit Recyclingmaterialien und wenig Plastik und bei besseren Produktionsbedingungen hergestellt.

 

Es gibt Hoffnung?

 

Es ist ein langer Weg. Aber den beschreiten wir.

 

Zum Schluss: Die Weberei ist Ihr Gütersloher Lieblingsplatz. Warum ist das so?

 

Ich bin Kind der 1980er-Jahre. Gott sei Dank gab’s viele Leute, die sich für den Erhalt der Weberei engagiert haben. Davon habe ich in meiner Jugend profitiert. Als ich 14 war, da gab’s hier die ersten Zappelfeten, wo sich die ganzen Schüler mittwochs trafen. Und dann bin da irgendwie hängengeblieben. Das war immer ein alters- und klassenloser Treffpunkt, wo es total egal ist, wie du da aufläufst, in welchem Outfit, wie alt Du bist – das war immer schon dieser Bürgerkiez, wie er heute ja auch genannt wird. Deshalb gehe ich auch heute noch gerne in die Weberei – zu Konzerten, auf Partys, wenn es mal passt. Neulich kam ich vom Schützenfest und bin im vollen Schützen-Ornat in die Weberei – und das ist total egal, Du kannst dahin gehen, wie Du willst. Und das finde ich richtig toll. Deshalb ist das jetzt schon vier Jahrzehnte mein Lieblingsrefugium in Gütersloh.

 

  

         

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